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Restaurant Table Stilleben Servicewüste

Selbst geschaffene Servicewüste Deutschland

Mein Freund und ich waren kürzlich ein paar Tage in London. Und uns ist da etwas aufgefallen. Etwas, was uns ein bisschen stutzig gemacht hat. Die Leute haben uns höflich behandelt. Ihr denkt, ah geh!, dass tun die Leute hier auch. Mmmh. Tun sie das? Tun sie das wirklich? Wir Bayern handhaben das so: Niad geschimpft is scho globt gnua. Also reißen wir kein Fass auf. Doch in anderen Teilen Deutschlands frag ich mich dann doch manchmal, wer diesem Menschen morgens in die Cornflakes gewieselt hat, dass der mir so frevelhaft kommen muss. Ich wars jedenfalls nicht.

Ich meine, an der Ausweiskontrolle könnte der Herr Beamte meinen Pass nehmen, nicken, und mich mit einer Handbewegung hereinbitten und fertig. Wenn ich in München ein grantig genuscheltes „Wo wolln Sie hin?“ bekomme ists schon viel. So kenne ich das aus Deutschland. Bloß nicht nett sein. In jedem anderen Grenzübergang werden mir ein, zwei nette Fragen gestellt, und ein bisschen Smalltalk geführt. Manchmal wollen die Menschen einfach nur wissen, wo mein Vorname herkommt. Nun gut, vielleicht sind die deutschen Ausweiskontrolleure nicht besonders freundlich, weil ich deutsch bin, und sie halt den ganzen Tag Deutsche nach Deutschland reinlassen. Doch dann beobachtete ich die Glaskästen neben mir, und siehe da, der Brite, der die Briten reinlässt, lächelt die an! Alle! Und redet mit denen! Und es wurde sogar kurz gelacht! (Vielleicht unterhielten sie sich über ihre Chancen bei der EM. Sind die überhaupt dabei?)

Service wird in London groß geschrieben

Selbst der Kassierer im Fastfood-Restaurant hat uns mit einer Leidenschaft die „Karte“ erklärt, und es wurde ihm nicht zu blöd, egal wie lang die Schlange hinter uns wurde! Ihr müsst euch das so vorstellen: Wir waren wirklich absolut geflasht davon, wie die Leute uns behandelt haben! Das alles gipfelte dann in unserem Date mit Oliver. Hach, Oliver. Dieser wundervoll wie kompetente junge Mann, der im Charles Tyrwhitt ganze 2.5 Stunden damit verbracht hat meinem Freund in Sachen Anzüge zu beraten. Und nie vergaß in regelmäßigen Abständen „Madame, May I ask your opinion on the fit of this suit?“ zu fragen. Ich muss natürlich nicht erwähnen, dass er mir immer Recht gab. Logisch, der wollte uns etwas verkaufen. Freilich, waren die Anzüge auch nicht ganz billig. Aber, hey, selbst in München ist mir so ein respektvoller Umgang noch nicht passiert (zum Beispiel wurde ich in einem Schweine teurem Vintageladen nicht einmal mit dem Arsch angeschaut, noch begrüßt oder verabschiedet. Und das bei Dirndlpreisen von 500 Tacken aufwärts! Guad. Dann behalts euren Kram!). Und es liegt mit Sicherheit nicht drann, dass ich selbst unhöflich bin. Bitte und Danke hat mir meine Mom eingeprügelt!

Eines hatten sie alle gemeinsam, diese netten Menschen in London: sie waren wahnsinnig freundlich, zuvorkommend und strahlten etwas aus, einen gewissen Stolz. Ganz anders, wie wir es von daheim kennen. Mein Freund nannte es etwas „Respektables“. Sie gingen in ihrem Beruf auf. Sie respektierten den Kunden, ihnen war bewusst, dass sie die Firma vertraten, wenn auch als Kassierer in einem schnöden Fastfood-Restaurant. Im Gegenzug war der Kontakt zwischen Gast und Personal überall so beschwingt, persönlich und freundlich. Sogar im 5 Sterne Hotel Clardiges, wo wir am High Tea teilnahmen und als „Neulinge“ in der High Society unter Umständen etwas unbeholfen mit dem ganzen Silberbesteck-Gedöns umgingen, wurden wir nachsichtig, umfassend und freundlich bedient. Ich bekam sogar eine eigene „pescaterian selection“ von Sandwiches (Alter, ich wusste noch nicht mal, dass ich Pescatarian bin!). Wir waren tatsächlich überall dieser ominöse König Kunde!

Service in Deutschland: Fehlanzeige

Hier Zuhause wird man schon mal belächelt wenn man im Servicebereich – vor allem in der Gastronomie arbeitet. Denn das macht man ja nur, weil man nichts „Gescheites gelernt hat“ oder? Wer nichts wird, wird Wirt. Das ewige Gerücht des ungebildeten Türstehers, der in seinem Leben nichts anderes erreicht hat, oder der versoffenen Thekenkraft oder des Casanova Barkeepers. Diese Gerüchte halten sich hartnäckig und spiegeln wieder, wie der Deutsche zu Service steht. König Kunde darf hier zu Lande seine „Dienerschaft“ wie Dreck behandeln und erwartet dann noch, dass alle „Lang Lebe der König!“ brüllen. Dass der Service einen dann nur zu gerne den Arsch pudert ist auch klar (Ironie aus!). Denn wies in den Wald hereinschreit, schreits auch wieder naus.

Freilich möchte dann auch niemand mehr in dem Bereich ausgebildet werden oder arbeiten (außer man steht drauf, sich den ganzen Tag schlecht behandeln zu lassen). Tadaaaa: Selbst geschaffene Servicewüste Deutschland. So schließt sich der Kreis. Und ich weiß wovon ich rede. In den 10 Jahren hinter der Theke verschiedener Bars und Diskotheken habe ich einiges mitgemacht – bin beschimpft, angefasst und herablassend behandelt worden… Weil mei. Selber schuld. So is des halt wenn man so nen Job hat. Nein. So ist es nicht. Es ist meine Aufgabe mich um dich zu sorgen und mich gut um dich zu kümmern. Unsere gemeinsame Zeit für dich so angenehm wie möglich zu machen. Dir ein Erlebnis zu bieten. Hilfreich zu sein. Dafür verdiene ich deinen Respekt. Und ein bisschen Trinkgeld.

 

Meine London Tips

Burschen: Geht in London unbedingt in die Jermyn Street zu Charles Tyhrwitts Flagshipstore und lasst euch ein fesches Hemd mit Manschetten raus oder bestellt online: Mutti wird’s euch danken!

Mädels: In Claridges dürft ihr einen Tag Pretty Woman spielen. Absolut fantastische Scones, Sandwiches und Pastries so viel ihr zwingen könnt inkl. Tee und Champus. Achtung: Unbedingt reservieren!

Foodies: Achtung sabbern vorprogrammiert! Holt euch für 10 Pfund die Lobsterroll und genießt die freundliche Bedienung bei Smack in Soho.

 

AYDA

abendsonne golden gate bridge black and white

Bayrischer Allrounder mit afro-amerikanischen Wurzeln aus dem schönen Rengschburg [Re|gens|burg]. Stolze Mama von zwei Felnasen, Sozialpädagogin aus Leidenschaft und Türsteherin deines Vertrauens. Die Zeit die ihr bleibt, wird mit roasn [rei|sen], essn [ess|en] und dringa [trin|ken] gefüllt. Sie schmatzt [spricht] gern über ois [alles] nasche [ver|rück|te], dass ihr so den lieben langen Tag begegnet und sie interessiert und bleibt dabei ausgschamt [un|ver|schämt] ehrlich.

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