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Der Wert einer Frau

Der Wert einer Frau

Die letzten Tage sorgten einige Vorfälle für reichlich Gesprächsstoff: Die Vergewaltigung einer jungen Frau durch den Amerikaner Brock Turner auf einer Stanford Uni-Party in den USA, die Scheidung von Amber Heard und Johnny Depp, die Gewaltvorwürfe gegen David Garrett durchs seine Ex-Freundin Ashley Youdan und die Vergewaltigung von Gina-Lisa Lohfink.

Was alle diese Frauen verbindet ist ihr Kampf für Gerechtigkeit und für ihr Selbstbestimmungsrecht. Wie das Ganze aber in der öffentlichen Debatte dargestellt wird und wie Frauen bisher rechtlich geschützt sind ist erschütternd.

Die sprachliche Darstellung

Medien arbeiten mit Sprache. Daher darf man davon ausgehen, dass Worte gezielt eingesetzt werden.

Gina-Lisa wird in den Berichten als die vollbusige Blondine, das ehemalige Erotik-Model beschrieben, ihre Kleidung ist wichtiger als der Fall an sich („Sie kam in Highheels und leicht geöffneter Bluse“). Aber warum bleibt man nicht einfach bei ihrem Namen? Diese Beschreibungen wirken degradierend. Mit jeder dieser Beschreibungen wird dem Leser suggeriert, sie habe gewusst, worauf sie sich einlässt, jemand wie sie müsse sich nicht darüber wundern, dass ihr so etwas passiert, sie sei selbst schuld. Empathisches Schreiben sieht anders aus. Gerne wird auch das „Sex-Video“ genannt, was eine maßlose Untertreibung ist, denn Sex sollte einvernehmlich geschehen, alles andere ist Vergewaltigung. Also nennt das Video beim Namen: Es ist ein Vergewaltigungsvideo!

In dem Vergewaltigungsfall aus den USA wird der Täter beschrieben als der Standford-Student, seine Schwimmzeiten werden rezitiert, seine Sportler-Karriere betont. Sie war die Betrunkene, die Leichtbekleidete. Warum spielt ihr Alkoholpegel hier eine Rolle und ihre Kleidung? Sie ist die, die selbst schuld ist – er ist zwar der Täter, jedoch zugleich das Opfer, denn die Strafe sei doch viel zu hart für einen so aufstrebenden jungen Mann. Immerhin ist er doch ein Stanford-Student und sie war betrunken.

Amber Heard ist der Gold digger (vollkommen egal, wer von beiden keinen Ehevetrag wollte), sie hat es nur auf sein Geld abgesehen, unabhängig von den Beweisbildern ihrer Misshandlung, denn sie konnte ja nach einer ersten Gerichtsverhandlung wieder lächeln. Also kann doch alles nicht so schlimm gewesen sein.

Ashley Youdan hat auch Beweisbilder und Unterhaltungen, die ihre Misshandlung dokumentieren, aber anstatt den Zwischenfall an sich zu betrachten, wird der Stargeiger als Opfer einer Hetzkampagne dargestellt. Selbst Frauenmagazine ergreifen die Partei für Johnny Depp und den Stargeiger. Was wirklich geschehen ist, wissen wir nicht und werden es auch nie wissen, trotzdem wird oft instinktiv Partei für den größeren Star ergriffen, und das sind in der Filmbranche nunmal zum größten Teil die Männer.

Sprachlich werden diese Frauen systematisch demontiert. Ihre Kleidung, ihr Make-Up, ihr Alkohollevel sind die entscheidenden Beschreibungskriterien. Bei den Männern werden große Errungenschaften wie ihre sportliche oder künstlerische Karriere als Beschreibung genannt.

Schutz der Täter

Leider ist es nicht nur in unserem Sexualstrafgesetz so, dass Vergewaltiger mehr geschützt sind als die Opfer. Ein nein gilt hierzulande nicht als nein, wenn man sich nicht zusätzlich mit Händen und Füßen wehrt, unabhängig davon, ob man körperlich dazu in der Lage oder vor Angst wie gelähmt ist. In den USA ist es ähnlich: Der junge Mann namens Brock Turner, der die heute 23-Jährige auf brutalste Art vergewaltigte, bekam lächerliche 6 Monate mit 3 Jahren Bewährung und hat gute Chancen bereits nach 3 Monaten entlassen zu werden. Nicht nur, dass das Opfer und ihre Familie ein Jahr lang in quälendem Detail die Tatnacht immer und immer wieder vor Gericht über sich ergehen lassen musste, schreibt nun der Vater des Täters, dass das Urteil zu hart sei und man seinen Sohn nicht für „20 minutes of action“ für sein ganzes Leben strafen dürfe. Ja, richtig gelesen, für 20 Minuten Action. Wem es da nicht den Magen verdreht… Ob er den Täter wohl auch verteidigen würde, wenn seine Tochter Opfer eines so grausamen, lebensverändernden Verbrechens würde? „Nun sei mal nicht so, er hatte ja nur 20 Minuten Action, dafür wird er doch nicht lange büßen müssen.“ Wären nicht zwei Passanten eingeschritten, die übrigens somit Augenzeugen des Vergehens geworden sind, ist es nur schwer vorstellbar, was mit der jungen Frau geschehen wäre.

Eine ähnlich perfide Logik muss auch hinter der Richterin stecken, die Gina-Lisa Lohfink eine Geldstrafe von 24.000 Euro bezahlen lassen möchte wegen falscher Anschuldigungen gegen ihre Vergewaltiger. Da sie sich nicht mit Händen und Füßen wehrte, sei dies schon Zustimmung genug, denn ein verbales Wehren reicht nicht aus. Ein „nein-heißt-nein“ gilt in Deutschland nicht. Als hätten wir nicht genug gelernt aus #Kölnhbf und #Aufschrei. Wir bewegen uns gefühlt immer weiter rückwärts, kaum zu glauben, dass wir bereits im Jahr 2016 sind. Eine Frau die Opfer sexualisierter Gewalt wurde, deren Trauma in einem Video festgehalten dokumentiert wurde, wird sogar als Lügnerin bezeichnet und soll eine Strafe zahlen.

Bei Gina-Lisa und dem Stanford-Opfer werden die Täter, nicht die Opfer, geschützt. Was einem der normale Menschenverstand schon sagt, schafft das Strafrecht nicht und scheitert an seiner eigentlichen Funktion: Opfer schützen, Gewalttaten bestrafen.

Es ist frustrierend, entmutigend und absurd, dass weder Fotos  oder Augenzeugen als Beweise für eine Straftat reichen, noch ein Video, in dem ein Opfer „Hör auf“ sagt. Wenn selbst diese Beweise nicht genügen, was für ein Signal sendet das an Frauen? Eine Sexualstraftat zur Anzeige bringen bringt nichts, im schlechtesten Fall werden Informationen aus eurem familiären Umfeld ausgegraben und breit getreten, die Erfolgschance ist gering und wenn es richtig schlecht läuft, wie bei Gina-Lisa Lohfink, müsst ihr am Ende noch Strafe zahlen. Worte reichen nicht aus, nur wenn ihr euch physisch whert, habt ihr deutlich genug gemacht, dass ihr eine Vergewaltigung nicht wünscht. Rein verbal bestimmt ihr aber nicht darüber, was mit euren Körpern geschieht.

Öffentliche Demütigung

Gina-Lisa, das Stanford-Opfer und auch Amber Heard sind wiederholte Male öffentlich gedemütigt worden: Was erwartet schon eine vollbusige Blondine? Was ist sie auch betrunken auf einem Uni-Fest? Johnny war doch nur der schnelle Weg zum Geld. Aus den Medien zu erfahren, was man selbst durchlebt hat, wie das Stanford-Opfer: diese Frauen wurden gedemütigt, vorgeführt, degradiert, ihre Rechte demontiert. Was tatsächlich geschah rückt fast schon in den Hintergrund, den Vordergrund bestimmen Trivia-Faktoren zum Täter und dem Opfer. Und das macht wütend, vor allem wenn mit zweierlei Maß gemessen wird. Das weibliche Opfer wird geschickt als Täterin dargestellt, frei nach dem Motto „selbst schuld“, während bei den Tätern relativiert wird nach dem Motto „eigentlich ist er ein guter Kerl“.

Es macht wütend, dass wir in der heutigen Zeit noch immer mit so verqueren Maßstäben messen.

Der Wert einer Frau

Die Frage, die unterm Strich offen bleibt, ist „Was ist eine Frau wert in unserer Gesellschaft“? Broadly hat passend dazu eine Liste erstellt von Dingen, die in unserem Rechtsstaat besser geschützt sind, als Frauen: Ein Schuppen, Autos, der Bund der Ehe. Aber lest es selbst nach und kommt ebenfalls zum Ergebnis, dass das Sexualstrafgesetz ein Witz ist und ein Update notwendig hat (hier geht’s zur Petition). Auch Margarethe Stokowski formuliert die Unsinnigkeit der deutschen Rechtssprechung auf Spiegel Online passend: Wäre die Vagina doch ein Auto. Es ist an der Zeit, dass sich etwas ändert und die Vorschläge von Heiko Maas in allen Ehren: Das reicht nicht und es dauert zu lang.

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