Anfang des Jahres habe ich mir eine Challenge gestellt: einen Monat vegan. Zum einen, weil ich es ohnehin immer einmal probieren wollte, zum anderen, weil ja gerade überall der Veganuary (Vegan January) beworben wird. Herausforderungen machen mir eigentlich immer Spaß, ich habe von Saftkuren bis Paleo schon alles durchgespielt und ernähre mich seit mehr als 1,5 Jahren vegetarisch. „Wie schwer kann es da schon sein vegan zu leben?“, dachte ich mir noch ganz naiv. Ist doch kein so großer Unterscheid mehr.
Ha, von wegen. Wie sich herausstellte: schwerer als gedacht. In Berlin sind wir zwar echt verwöhnt mit der veganen Produktvielfalt. Es gibt einen Katjesladen, der Unmengen an veganen Optionen anbietet, wir haben Veganz, Bioläden in astronomischer Zahl, viele Restaurants, deren Menü entweder ganz oder teilweise vegan ist. Alles eigentlich Luxusvoraussetzungen.
Inhalt:
Nicht ohne meinen Käse
Aber es gab aber ein paar Faktoren, die die Herausforderung herausfordernder machten:
1. Das Umfeld
In meinem Berliner Umfeld gibt es nahezu keine Veganer. Bei meinen internationalen Freunden zeichnet sich ein ganz anderes Bild, da gibt es deutlich mehr Veganer. Wenn man also bei Freunden eingeladen ist zum Dinner (was immer ne gute Idee ist), ist man der „Umstandskrämer“ aus Sicht der Freunde.
2. Unverträglichkeiten
Ich vertrage blöderweise kein Gluten. Damit scheiden Seitan und Co als Fleischersatz aus. Generell war ich echt überrascht, wieviele vegane Lebensmittel nicht ohne Gluten auskommen.
3. Die Liebe für Käse
Was ich auch nicht bedacht hatte war, wie sehr ich Käse liebe. Es ist echt unheimlich, wie sehr ich auf Käse abfahre. Milch, Joghurt, Ei – alles problemlos verzichtbar, aber Käse. Der wird mir immer wieder zum Verhängnis. Was gewaltig unterstützt hat, war die Doku „Cowspiracy„, die eindrucksvoll zeigt, dass die Massentierhaltung als Ganzes gesehen werden muss. Auf Fleisch zu verzichten ist zwar ein Anfang, aber die Milchindustrie setzt ja genauso auf die Massentierhaltung, die wiederum exorbitant hohe CO2-Ausstöße mit sich bringt. Wer also der Umwelt und den Tieren was Gutes tun will, steigt auf vegan um… Ich kämpfe ehrlich gesagt noch immer und hatte leider ein paar schwache Momente.
4. Unwissenheit
Vegetarische Wurst ist nur vegetarisch, nicht vegan. Ich wusste es tatsächlich nicht bessern, knallte mir beim Frühstück bei meiner Schwester eine Scheibe drauf, um dann festzustellen, dass die Wurst mit Eiklar produziert wird. Eine ähnliche Überraschung ereilte mich auch beim Cocktails trinken: Die Cocktails werden auch mit Eiklar gemischt. Phantastisch…. ich hab noch viel zu lernen.
Muss ich mich als Veganer damit wohlfühlen unbequem zu sein?
Koche ich für mich selbst zuhause oder gehe ich in die Mittagspause, ist der vegane Lebenswandel wirklich einfach. Viel frisches Gemüse, ab und zu Tofu, Reisnudeln, Suppen und Eintöpfe, viel aus der mittel- und nahöstlichen Küche – man kann echt kreativ werden. Außerdem gibt es ja hervorragende vegane Kochseiten, bei denen man immer Inspiration findet.
Wird man aber zu Freunden zum Essen eingeladen, kommt man schnell in die Situation sich rechtfertigen zu müssen. „Das ist so kompliziert mit dir“ hörte ich mehr als einmal. Man wird als unbequem empfunden und leider nicht selten verarscht. Dann wird dem Reis einfach mal ein Ei untergerührt (neulich in einem Mittagsrestaurant) oder ein wenig Bratensaft in die „vegane“ Soße gerührt – das darf man erst einmal herausschmecken und bekommt die Info erst auf Nachfrage bekommen.
Sei vorbereitet
Gerade zu Dinnerabenden bin ich eigentlich immer gut vorbereitet und habe mein eigenes Brot samt Belag dabei (auch im Urlaub). In den meisten Restaurant-Menüs finde ich irgendetwas, das ich essen kann. Ich möchte es für Freunde und Familie gern so bequem wie möglich machen, aber gleichzeitig auch nicht von meinen Grundsätzen abweichen.
Ob meine eigene Entscheidungen nun Auswirkungen auf das Umfeld haben oder nicht, ist tatsächlich nahezu egal, wie ich festgestellt habe. Man wird so oder so als Umstandskrämer gesehen und nicht selten mit einem Augenrollen bedacht. Wie es Sophia Hoffmann mal so schön auf den Punkt brachte: „Als Veganer ist man das personifizierte schlechte Gewissen“, und genau so fühle ich mich auch, ohne es zu beabsichtigen. Ich habe ja die Entscheidung für mich getroffen und nicht, weil ich andere bekehren will. Wenn es abfärbt ist es nicht schlimm, aber mein Hauptanliegen ist es nicht.
Die Tatsache, dass ich Lebensmittel weglasse reicht aber, dass sich andere für ihre Essensentscheidungen rechtfertigen und mir sagen wollen, dass meine Ernährungsform der größte Blödsinn sei („Pflanzen haben auch Gefühle“, „Du isst meinem Essen das Essen weg“ und andere humoristische Glanzleistungen kommen immer, ebenso wie „Warum wollt ihr Veganer immer Ersatzprodukte für Fleisch finden?“). Die Antworten will aber wiederum keiner hören, man solle sich schließlich nicht so anstellen. War ja alles nur ein Scherz….
Vegan schmeckt, ist das nicht die Hauptsache?
Wie wäre es, andere einfach leben zu lassen und und die gleiche Behandlung auch umgekehrt erwarten zu dürfen? Warum sollte sich jemand von meiner Entscheidung gestört fühlen? Sie tut doch niemandem weh? Ich wünsche mir wirklich mehr Toleranz, und zwar nicht nur in puncto Ernährung. Bis wir aber ein wenig mehr Toleranz erreichen, muss ich wohl damit klarkommen, der unbequeme Gast zu sein.
Kleine Randnotiz: Als Gastgeber habe ich ganz andere Möglichkeiten. So hab ich einer netten Runde mal ein komplett veganes Dinner untergejubelt, es aber nicht als solches deklariert. Stattdessen hatten wir einfach ein sehr farbenfrohes Dinner, das allen geschmeckt hat. Viele fragten mich auch nach den Rezepten. Wohlgemerkt auch von leidenschaftlichen Fleischessern. Auch das Gebäck, das ich ab und an ins Büro mitbringe ist vegan – essen tun es alle, schmecken tut es auch allen und das ist ja auch die Hauptsache.
Das dürfte tatsächlich meine größte Lektion gewesen sein: Veganes Essen nicht als solches zu bezeichnen. Irgendwie scheint die Wahrnehmung von veganer Ernährung insgesamt negativ belastet zu sein – nicht, weil es nicht schmeckt. Ich vermute, dass viele direkt einen Vortrag erwarten, warum vegan die einzig wahre Lebensform sei. Selbst, wenn man keinen Vortrag hält, begegnet man schnell verschränkten Armen und anderen Abwehrmechanismen.
Am Ende zählt doch, ob das Essen lecker ist. Wer fragt da noch groß nach dem Label „vegan, „vegetarisch“ oder „schießmichtot“? Hauptsache es schmeckt!
Titelbild by Sam Carter on Unsplash