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Arbeiten mit Kind

Berufstätige Mutter für einen Tag – Ein Erlebnisbericht

Es ist kein Geheimnis: Ich bin eine von DEN Tanten. Unaufgefordert halte ich Freunden und Kollegen Bilder und Videos von meinem geliebten Neffen vor die Nase. Nervig? Mit Sicherheit, aber ich kann einfach nicht anders. Als bei meiner Schwester also einmal die Hütte brannte, sprang ich liebend gerne ein. Einen ganzen Tag allein mit meinem Neffen und nebenher arbeiten, einen Tag lang berufstätige Mutter spielen? Logo bin ich da am Start. Ich dachte noch ganz optimistisch: Easy. Ich bring ihn zur Kita, arbeite mein Zeug ab, hole ihn ab und spiele mit ihm. Und dann ist ja auch schon Bettzeit.

Genau jetzt sehe ich alle Mütter vor sich hingrinsen. „Genau, einfach seiner Tagesroutine nachgehen und ab und zu einen 15 Monate alten Knirps bespaßen als blutiger, weil kinderloser Anfänger.“ Ich sehe sie nicht nur grinsen, ich höre sie schallend lachen. Vielleicht war ich in der Tat etwas naiv.

Tagesplanung mit Kind für Anfänger

Sonntag reise ich an, frisch und ausgeschlafen. Wir verbringen den Tag alle zusammen und ich bekomme einen kurzen Abriss über den Tagesrhythmus des Neffen: Wann geht’s zur Kita, wann muss er abgeholt werden, wie ist der Nachmittag für gewöhnlich gestaltet, wann gibt es Essen und so weiter. So weit, so einfach.

Ich ging am besagten Sonntag zeitig schlafen, damit der folgende Tag ja nach Plan verläuft.

Ja, und so viel auch schon zum Plan. Denn leider wurde er nachts um 2 wach mit hohem Fieber. Er schlief also nicht mehr ruhig im Bett, sondern spielte Brummkreisel im Matratzenlager auf dem Boden und ich bekam abwechselnd den Hintern oder Füße ins Gesicht. Ab 4 Uhr war spielen angesagt. Jeder Versuch, die Augen doch noch ein wenig geschlossen zu halten wurde mit tief fliegenden Bauklötzen jäh beendet. Die Nacht war offiziell vorbei.

Immer wieder Fieber messen, ihm Trinken einflößen und Liveticker mit meiner Schwester bestimmten ab jetzt den „Tag“. An die Kita war natürlich nicht mehr zu denken, denn ein fieberndes Kind muss zuhause bleiben. Den Folgetag gleich mit dazu.

Ab 7 Uhr stand zumindest der erste reguläre Programmpunkt auf dem Plan: Frühstück. Ich hab Hunger und brauche Kaffee. Der Neffe sieht das anders, er will weder essen noch trinken. Geschweige denn im Hochstuhl sitzen. Ich biete immer wieder den Brei an und das Wasser, aber die Ladeluke bleibt geschlossen. Er verweigert alles. Ich flehe ihn an, etwas zu sich zu nehmen, aber sein Mund ist Fort Knox. Da geht nichts rein (aber immerhin kommt auch nichts raus –  man muss ja positiv denken).

Arbeiten mit Kind: „Easy“

Nebenher schmeiße ich den Laptop an und checke kurz die Arbeitsmails. Noch sieht es übersichtlich aus und ich bin davon überzeugt, dass Herr Neffe einen langen Mittagsschlaf brauchen wird. Seine Nacht war ja auch kurz, er MUSS doch müde sein. Ich bin zuversichtlich, die Arbeit nebenher zu schaffen.

Dann steigt sein Fieber wieder. Ich rufe beim Kinderarzt an und bitte um Rat. Er bekommt ein torpedoförmiges Medikament gereicht und ich hoffe, dass es wirkt. Während seine Stimmung steigt, sinkt zum Glück das Fieber. Immerhin. Aber er ist anhänglich. Mehr als sonst. Er will nicht spielen, nichts machen, einfach nur auf meinem Arm sein. Dort will er auch schlafen. Meine Versuche, ihn ins Bett zu legen scheinen zwar erst zu gelingen, aber nach 20 Minuten ist es auch schon wieder vorbei und er möchte zurück auf dem Arm. Bumsmüde ist er, aber schlafen geht nur auf meiner Brust. Halb sitzend, halb liegend verbringe ich den Vormittag auf dem Sofa mit meinem Neffen aka dem Heizkissen auf mir. So langsam begreife ich, dass mein Zeitplan nicht mehr haltbar ist.

Ich gucke auf mein Handy und lese im Slack-Chat nach, was sich die letzten drei Stunden getan hat. Erschreckend viel. Hatte ich einen Tag Homeoffice angekündigt, muss ich mir eingestehen, dass der Tag nicht annähernd so produktiv wird wie ein regulärer Homeoffice-Tag. Mein Glück ist es, als Freelancer in einem sehr familienfreundlichen Unternehmen zu arbeiten. Nahezu alle Kollegen sind Eltern und sind verständnisvoll. Das ist leider noch immer nicht die Regel. Und trotzdem habe ich den Druck im Hinterkopf: Ich MUSS meine Arbeit schaffen.

Die Stunden des Tages verstreichen, eine nach der anderen. Ich pendele zwischen Kinderzimmer und Küche und bemühe mich, dem kranken Kleinen irgendwas zu Essen unterzujubeln oder etwas zu trinken einzuflößen. Ich möchte fast einen Kniefall machen, nur damit er etwas zu sich nimmt. Es grenzt an Verzweiflung. Und so vergeht der Tag.

Und schon ist der Arbeitstag rum

Erst gegen 19 Uhr gelingt es mir, meinen nicht mehr ganz so fiebrigen Neffen ins Bett zu befördern. Bis dahin hat er zum Glück etwas Wasser und ein wenig Banane zu sich genommen. Nie hätte ich es für möglich gehalten, dass ich mich mal so über ein essendes kleines Wesen freue.

Vollkommen groggy lande ich auf dem Sofa. Doch jetzt, wo er schläft, beginnt mein eigentlicher Arbeitstag. Das schlechte Gewissen hat mich ab vormittags begleitet. Ich wollte doch wirklich was schaffen! Dabei habe ich den Faktor Kind aber vollkommen unterschätzt. Ich versuche die Arbeit von 8 Stunden irgendwie in 5 Stunden abzuhandeln. Doch mein Kopf ist leer, ich bin geschafft und bemühe mich irgendwie den Schalter im Kopf auf „Arbeit“ umzulegen, aber ohne Kaffee und ein paar Atemzüge frische Luft auf dem Balkon geht nichts. Ich bin den gesamten Tag nicht einmal vor der Tür gewesen und das merke ich nun.

Zugegeben, alles habe ich nicht geschafft, aber immerhin mehr als ich erwartet habe. Als ich meinen Arbeitstag für beendet erkläre, habe ich de facto 5 Stunden konzentriert gearbeitet und insgesamt eine Stunde mit chatten und Mails checken verbracht. Mein Schlaf aus der Nacht summiert sich auf sage und schreibe vier Stunden. Geduscht und Haare gewaschen habe ich nicht. Make-Up? Please! Ich sehe aus und fühle mich wie ausgelutscht. So erschöpft bin ich schon lange nicht mehr im Bett gelandet.

Mein Fazit

Was mir dieser intensive Tag gebracht hat? Jede Menge Hochachtung vor dem, was meine Schwester jeden einzelnen Tag bewältigt. Und einen Heidenrespekt vor allen arbeitenden Müttern. Kein Tag ist planbar, jeder Tag ist unberechenbar und man muss auch mit wenig bis gar keinem Schlaf auskommen und funktionieren. Das nagende, schlechte Gewissen kommt noch dazu samt dem teuflischen Satz „Andere schaffen es doch auch“.

Noch dazu weiß ich jetzt: Ein Kind ist die Prio Nummer eins, erst recht, wenn es krank ist. Alles andere rückt in den Hintergrund, notgedrungen.

Liebe Mütter, ich ziehe den Hut vor euch. Das ist eine stramme Leistung, die ihr da Tag für Tag abliefert. Ich habe es einen Tag geschafft (oder hat der Tag mich geschafft?). Der Folgetag fühlte sich wie Urlaub an. Klar, ich hab keine Erfahrung und vieles ist eine Frage der Gewöhnung. Aber Kind und Arbeiten ist ein krasser Batzen. Jeden. Einzelnen.Tag. Seid stolz auf euch! (Und ein Glück für die Kinder, dass sie so niedlich sind.)

Bild: Katja Hentschel

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