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Stefanie Jarantowski: Abenteuer Olavsweg

Stefanie Jarantowski: Abenteuer Olavsweg

Einmal Hand heben: Wer hat schon mal darüber nachgedacht, alles hinzuschmeißen und neu zu starten? Einfach so, alles auf null zurücksetzen und gucken was passiert? Eine nicht repräsentative Umfrage auf meinem Insta-Account hat ergeben: Darüber nachgedacht haben einige, doch das Machen ist eine ganz andere Chose. Angst davor alleine zu sein, was wenn was schief geht, Befürchtungen die Freunde zu vermissen und ganz ehrlich die Bequemlichkeit waren nur ein paar Antworten, die mich erreichten.

Viele Menschen, die über einen Neuanfang nachdenken oder etwas dramatisch zu ändern, zieht es zum Pilgern. Spätestens seit Hape Kerkelings „Ich bin dann mal weg“ erfreut sich vor allem der Jakobsweg unter deutschen Wanderern, oder vielmehr Pilgern, größter Beliebtheit. Das bringt die Krux mit sich, dass der Weg vollkommen überlaufen ist. Allein mit sich und seinen Gedanken sein: Fehlanzeige. Der Olavsweg, der sich von Oslo nach Trondheim auf etwa 650 Kilometern durch Norwegen erstreckt, ist noch relativ unbekannt und somit nur wenig erpilgert. Inmitten der rauen Natur Norwegens gelingt das Alleinsein mit den eigenen Gedanken.

Wer pilgert, der findet sich

Pilgern, raus aus Berlin, neuen Input sammeln und sich neu ausrichten: Das alles klang genau nach Stefanie Jarantowskis Geschmack. Sie hat ihr Unternehmen verkauft und war bereit für Neues. Als sie in der Zeitung vom Olavsweg las, stand fest: Den mach ich. Schon zwei Wochen später, ohne große Vorbereitung, befinden sie und ihr Mann sich auf dem Weg nach Norwegen. Mutig oder wahnsinnig? Naja, manchmal liegen die beides nah beieinander.

Über ihre Erlebnisseauf dem Olavsweg, die schönen wie die fordernden, hat sie ein Reisetagebuch geschrieben und im März diesen Jahres publiziert. Publiziert hat sie es im eigens gegründeten Ikigai-Verlag, in dem auch die Gedichte ihres Mannes erschienen sind. Es ist also was dran an „Einmal Gründer, immer Gründer“.

Ihr Buch ist kein klassischer Wanderführer. Auch die alles umkrempelnde Erleuchtung, die typisch ist für Pilger, wird man vergeblich suchen. Vielmehr hat sie ihre tagtäglichen Eindrücke und Begegnungen detailliert festgehalten, von der Dreiergruppe Mädels mit Hund Maxi, über lautes Partyvolk und störrische Kühe. Man sitzt gefühlt in ihrem Rucksack und folgt ihr Schritt auf Tritt.

Zugegeben, ich war überrascht zu lesen, dass sie mit ihrem Mann wanderte, heißt der Untertitel ihres Buches „Eine Frau pilgert den Neuanfang“. Sprang mein Kopf sofort zu Reese Witherspoon „Wild – Der große Trip“, eine Frau alleine gegen die Naturgewalten, stellte sich Stefanie zwar ebenso den Tücken der Natur, aber eben nicht allein. Zu Zweit lassen sich die Fallstricke des Fernwanderns aber auch deutlich besser bewältigen und die Erlebnisse gemeinsam reflektieren.

Schritt auf Tritt mit Stefanie

Stefanie nimmt den Leser mit auf den Weg, jeden einzelnen Schritt und teilt schonungslos auch ihre Vorurteile und voreiligen Schlüsse, samt der Erkenntnis, eines Besseren belehrt zu werden. Dass sie ihr Ego bei Antritt zur Reise hinter sich lässt, zeigt ihre Bereitschaft, vom festgelegten Weg abzuweichen. Wenn es das Wetter, die Unterkünfte oder die Killerblasen an Stephans Füßen nicht zulassen, die nächste Etappe wie geplant anzugehen, scheut sie sich nicht davor, die Fähre zu nehmen oder die Etappe zu kürzen. Dabei entsteht aber nicht der Eindruck, sie würden den Weg des geringsten Widerstandes gehen, sondern dass sie und Stephan besonnen vorgehen und die für sich selbst beste Lösung finden. Jeder, der einmal einen Fernwanderweg bestritten hat, kennt diese kompetitiven Wanderer, denen es stets darum geht, jede Etappe so schnell wie möglich und vor allem schneller als alle anderen zurückzulegen. Zu dieser Sorte gehören Stefanie und Stephan definitiv nicht und das macht sie sympatisch. Schritt für Schritt kämpfen sie sich durch Norwegen, hadern mit schweren Etappen, freue sich über schönes Wetter, die Schönheit der Natur und den netten Norwegern.

Jetzt hab ich dich! Endlich. So lange bin ich deinen Kreuzen hinterhergejagt. Weder Sturzbäche von oben noch Sahara-Tage konnten uns vom Weg abbringen. Du hast mich zum Verzweifeln gebracht, da kannst du gewiss sein. Sicher war ich mir nicht, dass wir uns noch begegnen. Aber jetzt stehe ich vor dir, und es fühlt sich unglaublich gut an. Ich nehme an, es musste alles so sein, wie es war? Danke.

Fazit

So sehr ich die Beschreibungen all der Weg-Details genossen habe, wäre ich gerne noch tiefer in Stefanies Gedankenwelt eingetaucht. Welche Fragen umtreiben sie beim Wandern, oder ist es vor allem die Leere im Kopf, die die Pilgerreise für sie ausmacht? Einmal keine Termine, Sorgen oder Verpflichtungen im Nacken zu spüren? Wie ist es, als ehemalige Geschäftsführerin plötzlich so befreit  von allem zu sein? An manchen Stellen, gerade wenn Stephans Blasen die Tour ins Kippeln bringen oder wenn sämtliche Wettergötter gleichzeitig gegen die beiden zu sein scheinen, erhascht man als Leser einen Hauch Sorge über den Weitergang der Reise und Ehrfurcht vor dem Weg, für mich blieb es aber zu sehr Andeutung. Unter dem Strich ist es aber Stefanies Geschichte, ihr Erlebnis, nicht meins. Ein Spagat aus Wegbeschreibung, Zweifeln, Bekanntschaften und dem Wunsch, nicht alles zu verraten, damit es noch immer einen Reiz gibt für nachfolgende Pilgerer.

Wer mit dem Gedanken spielt den Olavsweg selbst zu gehen, wird mit Stefanies Buch einen lebhaften Einblick in all die Höhen und Tiefen einer Fernwanderung gewinnen, von ihren gewonnenen Erfahrungen profitieren (Blasenvorsorge, schweres Gepäck, ungnädiges Wetter) und hier und da ein wenig schmunzeln über das, was ihr der Pilgerpfad in den Weg wirft.

Auf meine Frage, was ihre größte Erkenntnis nach dem Pilgerpfad war, antwortet sie: „Dass ich zum Schreiben zurückgefunden habe, meinen vergrabenen Herzenwunsch. Seit dem Olavsweg schreibe ich jeden Tag.“ Wir können uns sicher sein, in Zukunft noch mehr von Stefanie zu lesen.

Wer mehr zu Stefanies und Stephans Reise erfahren möchte, kann auf ihrer Webseite weiterlesen. Dort findet sich übrigens auch eine Packliste für all diejenigen, die nach dem Lesen ihres Buches, auch das Wanderfieber packt. Stephans Gedichtband „Olavsweg: Gedichte und Gedanken“ ist übrigens auch schon erhältlich.

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