Da sitze ich nun in einem Gespräch und soll Kopfrechnen: 40 durch 5. Ich habe Abitur, hatte sogar mal ein Halbjahr Mathe Leistungskurs, weil ich mal wissen wollte, wie das ist. Nicht so toll, obwohl ich Kurvendiskussionen und Stochastik im Schlaf durchexerzieren konnte. Kopfrechnen ging damals auch gut. Und jetzt, da es um einen Job geht, kriege ich unter den wachsamen Augen der Interviewenden simpelste Mathematik nicht mehr hin.
Ein Tiefpunkt. Die Lösung weiß ich mittlerweile zwar (8) und den Job habe ich auch bekommen (es ging zum Glück nicht um meine Rechenkünste, sondern mehr um die Stress-Resistenz), aber ich verstehe langsam die Verzweiflung von Unternehmern, die entsetzt über den Bildungsstand der Schulabgänger sind. Was für ein trauriges Bild ich abgegeben haben muss…
In meinen letzten Interviews (das heißt ja heute nicht mehr Vorstellungs- oder Bewerbungsgespräch, sondern ganz unsteif und lässig „Interview“) durfte ich ein paar kuriose Erfahrungen machen, die ich gern diskutieren möchte.
Inhalt:
Was macht ein Community Manager?
Seit vier Jahren kenne ich den BVCM, den Bundesverband Community Management. Ich erinnere mich noch an eine Versammlung der Verbandsmitglieder, in der wir das Berufsbild des Community Managers in Abgrenzung zu dem des Social Media Managers für ein Whitepaper auseinanderklamüserten. Oft fragte ich mich in meiner Bubble, ob vieles davon nicht selbstverständlich ist. Wenn man auf eine gewissen Art medienaffin aufwächst und die Social Media Kanäle immer zum Berufsleben dazugehörten, ist es beizeiten schwierig zu bedenken, wie es Menschen außerhalb jener Blase geht.
Mittlerweile weiß ich, dass das Berufsbild noch immer neu ist und vielen Unternehmen nicht klar ist, was ein Community Manager eigentlich macht. Das hält sie aber nicht davon ab, die Stelle auszuschreiben, weil man hat ja schonmal gehört, dass es gut sein kann, so jemanden an Bord zu haben.
In einem Interview für den Job des Senior Community Managers saß mir nun ein potentieller Vorgesetzte gegenüber und nahm breitbeinig sitzend 90 Prozent der Redezeit ein, die er eigentlich damit verbringen sollte, auch sein Gegenüber kennenzulernen. Die Rahmenbedingungen der Stelle hatte mir HR des Unternehmens in einem Telefonat beschrieben, doch im besagten persönlichen Gespräch zeichnete sich ein völlig anderes Bild ab.
Community Management ist nicht nur Customer Care
Auch wenn es beim Berufsbild des Community Managers von Firma zu Firma leicht abweichende Vorstellungen geben kann, genau welche Aufgaben in den Job einfließen: Was ein Community Manager nicht ist, ist reines Customer Care. Hier wird oft die Stelle des Community Agents von Berufsbild-Analysten ins Spiel gebracht, aber das ist ein anderes Thema.
Ein Community Manager ist für mich das Gesicht der Firma. Er oder sie ist die erste Anlaufstelle für neue und alteingesessene Community-Mitglieder, sammelt Wünsche und Sorgen, gibt technische Neuerungen weiter zum Beispiel im Firmenblog, entwickelt die Community strategisch weiter, ist DER Kommunikator aller Community-relevanten News, leistet Support, berät intern die unterschiedlichen Stakeholder und noch vieles mehr. Für mich ist es eine Schnittmenge aus Kommunikation, Support, Strategie, Projektmanagement und einem hohen Maß an Adaptionsbereitschaft. (Hier empfehle ich schon einmal das Whitepaper des BVCM)
Um während des Monologs auch mal zu Wort zu kommen, unterbrach ich den Interviewenden und fragte bewusst provokant, ob er die Rolle des Senior Community Managers eigentlich nur für eine fancy Umschreibung von Customer Care halte. Ohne einen Hehl daraus zu machen, bejahte er dies. Außer den ganzen Tag First Level Support Mails zu beantworten gäbe es keine weiteren Tätigkeiten, aber er könnte sicher arrangieren, dass ich auch mal ins Headquarter in die USA fliegen dürfte, sagte er und zwinkerte mir vielversprechend zu. Wow…
Ich kann bestimmt dafür sorgen, dass du auch mal in die USA fliegen darfst.
Dass es zu Missverständnissen in Rollen und Funktionen kommen kann ist vollkommen normal, aber mich irritierten zwei Dinge: Entweder hatte er meine Bewerbung nicht einmal gelesen, was ich etwas schwach fände – sollte nicht auch er sich auf das Interview vorbereiten? Oder aber er hatte sie gelesen und war dennoch der Meinung, dass die von ihm beschriebene Stelle eine angemessene Herausforderung für mich sei. Die zweite Option machte mich tatsächlich sauer. 6 Jahre Studium, mehrere Jahre Berufserfahrung und da sitzt er nun monologig vor mir und denkt, dass der von ihm beschriebene Job ambitioniert genug für mich ist.
Unternehmen, nutzt den BVCM
Was ich mir von Unternehmen wünsche, die eine solche Stelle ausschreiben: Seid euch doch wenigsten ein bisschen darüber im Klaren, wen ihr sucht. Dabei helfen euch übrigens die Whitepaper des BVCM, die frei verfügbar heruntergeladen werden können. Da ist klar abgegrenzt, was ein Community Manager macht im Vergleich zu einem Social Media Manager.
Immerhin: Meine Follow-Up-Mail an HR des Unternehmens hatte zur Folge, dass auf einigen Plattformen die Stelle umbenannt wurde in Customer Care.