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Wandern in Schottland - Mein Wanderurlaub

Wandern in Schottland – Mein Wanderurlaub

Irgendwann war er einfach da: Der Gedanke, in Schottland wandern zu gehen. Alleine. Ich bin noch nie zuvor im Wanderurlaub gewesen und hatte Sonntagsspaziergänge mit der Familie als furchtbar langweilig in Erinnerung. Doch neuerdings freue ich mich draußen in der Natur und in Bewegung zu sein. Werde ich etwa alt? Vermutlich. Sitze ich im Alltag zu viel? Definitiv. Kann einem die Großstadt manchmal zum Hals raushängen? Auf jeden Fall.

Der Plan waberte also im Kopf herum. Nächster freier Zeitraum zeichnete sich im November ab. Ich hatte mir schon im Sommer vorgenommen den November freizumachen. Wandern in Schottland im November… ein schottischer Freund warnte mich bereits: Entweder es wird ganz ok oder end-of-the-worldish. Das Wetter war mir allerdings echt egal. Gegen raue Natur habe ich nichts einzuwenden, solange ich richtig angezogen bin. Mental auf das Schlimmste vorbereitet zu sein hilft aber immer.

Die Vorbereitung meines Wanderurlaubs

Ich hab mich durch zahlreiche Wander- und Outdoorblogs gewühlt, fand aber mein digitales Zuhause bei Fräulein Draußen. Tolle Tipps und Anekdoten, dazu Empfehlungen für die richtige Bekleidung und spannende Reiseberichte. Kathrin, also Fräulein Draußen, unternahm ihren ersten Wandertrip ebenfalls nach Schottland, was ein Zufall! Allerdings war sie zeitlich etwas früher dran als ich, nämlich im Herbst. Im Vergleich zu ihr konnte ich mir aber für November sicher sein, dass es keine Midges mehr geben würde. Das sind die fiesen, blutsaugenden Insekten, für die Schottland berühmt-berüchtigt ist. Wer sie noch nicht kennt, hier eine kleiner Eindruck:

Meine Wanderroute durch Schottland – kurzer Überblick

Zu Beginn der Planung stand lediglich Schottland, ein wenig eingegrenzter die schottischen Highlands. Isle of Skye hatte ich schon eine Weile auf meiner Agenda, doch wie komme ich dort am besten hin, ohne unendlich viel Zeit im Auto/Bus zu verbringen? Nach langem Hin- und Her sah meine Wanderroute am Ende so aus:

  • Flug nach Glasgow
  • Bus nach Fort William und zum Glenfinnan Viaduct
  • Busfahrt nach Fort Augustus
  • Bus nach Portree
  • Wandern nach Kilmaluag
  • Wandern nach Uig
  • irgendwie zurück nach Portree (Meisterin der Planung)
  • Bus nach Glasgow

Nach Glasgow kommt man sehr günstig, da zahlreiche Airlines von Berlin aus dahinfliegen. Damit ich nicht einen kompletten Tag nur im Bus sitze, entschließe ich mich für einen Zwischenstop in Fort William. Zum Einen gibt es dort schöne Wanderwege und man ist direkt an einem Loch (im Sinne von Gewässer 😉 ) und ich habe alle möglichen Ausflugsziele zur Auswahl, zum Beispiel das Glenfinnan Viaduct (das jeder Harry Potter Fan kennt). Ein Tagestrip nach Fort Augustus musste sein, denn in die schottischen Highlands kann ich nicht ohne einen Besuch von Loch Ness.

Die Busfahrt von Fort William nach Portree ist wunderschön. Ich habe unzählige Regenbögen gesehen und konnte mich an den Bergen, Wasserfällen, Wiesen und Seen nicht satt sehen.

Portree ist ein winziges, niedliches Dorf, das aber hervorragende Restaurants hat. Von hier aus bieten sich Bootstouren, oder eben auch Wandertouren an. Ich wanderte von Portree Richtung Kilmaluag, hoch zum Old Man of Storr, weiter zum Kilt Rock und den Mealt Falls und durfte nach 32 Kilometern feststellen, dass ich ganz schön kaputt bin. Doch dazu mehr im kommenden Blogartikel.

Kilmaluag ist ein winziges Dorf (oder vielmehr ein paar Häuser, die dichter beieinander stehen als im restlichen Umland) und direkt am Wasser gelegen. Die Ruhe war unbeschreiblich schön. Außer dem Mampfen der Schafe und Kühe hört man höchstens den Wind. Herrlich!

Uig ist eine kleines Dorf, das vor allem aufgrund des Fährhafens zahlreiche Touristen sieht. Außerdem kann man von hier aus zum Fairy Glen wandern. Ein Ort, den man nachsagt, dass Feen dort wohnen.

Wandern in Schottland: Ohne Auto an’s Ziel

Ich hatte länger mit mir gerungen, ob ich mir einen Mietwagen buche, oder aber mit Bussen fahre. Für den Mietwagen spricht die Flexibilität, die zeitliche und räumliche Ungebundenheit. Im Linksverkehr war ich bisher noch nie unterwegs, das würde also einen gewissen Nervenkitzel mit sich bringen. Nachdem ich alles durchgerechnet hatte, kam ich letztlich mit den Bussen unterm Strich günstiger (und stressfreier) weg. Zumal ich so während der Fahrt schon die Landschaft genießen konnte.

Das Busnetz in Schottland ist sehr gut ausgebaut und die Fahrer allesamt wirklich nett und charmant. Das ist man ja andernorts nicht unbedingt gewöhnt. Ich bin mit First Bus und dem National Express gereist. Im November ist Nebensaison, sodass ich kurzfristig entscheiden konnte, welchen Bus ich nehme. In der Hauptreisezeit kann es allerdings passieren, dass Busse ausgebucht sind. Schaut also immer nach, wie ausgelastet die Strecken sind. Isle of Skye hat in den vergangenen zwei Jahren einen unheimlichen Touristenzuwachs bekommen, selbst entlegene Orte wie Kilmaluag boomen.

Die Wanderwege

Hier wurde es tatsächlich ein wenig knifflig für  mich, da ich nicht den geringsten Plan von Wanderkarten habe und mein letztes Kompasstraining ein paar Jahre (Jahrzehnte) zurücklag. Glücklicherweise fand ich beim stundenlangen googeln, dass es parallel zu vielen Straßen oft Fußwege gibt und man gerade dort, wo die Straße einspurig wird, problemlos auch auf und neben der Straße laufen kann. Das gab mir auch die Sicherheit, sollte das Wetter richtig bedrohlich werden oder mir die Luft ausgehen, mit dem Linienbus weiterfahren zu können.

Was als Anfänger schwierig einzuschätzen ist, wie lange man von A nach B braucht. Denn abhängig vom Wetter, dem Gewicht des Gepäcks, der Steigung und der eigenen Tagesform gibt es immer noch eine Menge Spielraum. Im ersten Wanderurlaub wollte ich daher auf Nummer sicher gehen und wählte einfache Wanderwege oder eben solche, die parallel oder auf der Straße verliefen.

Sowohl in Fort William, als auch in Fort Augustus, kann man auf den Great Glen Way aufspringen, der von Fort William nach Inverness führt. Eine Gesamtlänge von 117 Kilometer ist der Wanderweg nicht gerade von Pappe für einen Anfänger wie mich. Zumal mein Ziel ja auch nicht Inverness war, sondern Isle of Skye. Aber trotzdem boten sich kleinere Tagestouren auf dem Great Glen Way an, der sehr gut in Etappen runtergebrochen werden kann. Außerdem ist er perfekt ausgeschildert, sodass verlaufen quasi ausgeschlossen ist.

Weiterführende Infos zu den Wanderrouten in Schottland

Mir sind bei der Recherche viele gute Seiten über den Weg gelaufen. Ein paar waren aber besonders anfängerfreundlich aufgebaut, dass ich sie unbedingt teilen muss:

  • Walk Highlands (Es werden je nach Gegend Routen aller möglichen Längen vorgeschlagen inklusive einiger Erfahrungsberichte)
  • Visit Scotland (Die offizielle Tourismusseite Schottland mit praktischen Tipps inkl. nahegelegener Unterkünfte)

Erste Etappe: Fort William

Fort William ist an sich nicht die spannendste Stadt, dafür aber ein praktischer Startpunkt für Tagestouren und die Weiterfahrt in die schottischen Highlands. Wobei ich Fort William auch nicht Unrecht tun möchte, da es schon einiges zu sehen gibt – ich war einfach mehr auf die Natur und Ruhe eingeschossen. Von Glasgow fährt man etwa 3,5 Stunden mit dem Bus in die größte Stadt in den schottischen Highlands. Von einer großen Stadt ist Fort William aber zum Glück weit entfernt, alles ist recht beschaulich und ruhig. Die Busfahrt von Glasgow ist wunderschön, da man durch den Loch Lomond & The Trossachs National Park fährt. So konnte ich mich perfekt einstimmen auf die bevorstehenden Wanderungen: Flüsse, Wasserfälle, grüne und braune Berge und ein paar vereinzelte Wanderer.

Fahrt nach Fort William
Loch Lomond

Fort William: ein kurzer Überblick

Fort William Great Glen Way

Obwohl Fort William für mein Empfinden ein kleine Nest war, ist es doch die zweitgrößte Siedlung der schottischen Highlands mit immerhin 10.000 Einwohnern. Von der Stadt aus hat man einen guten Blick auf den Ben Nevis, den höchsten Berg Großbritannien und somit auch der Highlands mit 1.345 Metern Höhe. Wanderungen bzw. Besteigungen des Berges sind zwar auch für Anfänger möglich, jedoch wechselt das Wetter gerne auch schlagartig. Gerade in den Wintermonaten kann es eisig und verschneit werden, sodass die Sicht innerhalb von Minuten gen Null geht – hier hat ein Anfänger ganz schnell verloren. Ich entschied mich recht früh, dass der Ben Nevis warten darf und bewunderte ihn aus dem Tal.

Direkt am Busbahnhof von Fort William ist ein großer Supermarkt, bei dem man sich bestens mt allem eindecken kann, das man auf einer Wanderung benötigen könnte (inklusive glutenfreier Müsliregel und vielen, vielen Schokoriegeln *heaven*). Einmal kurz die Straße überquert konnte ich das erste Mal Highland-Luft schnuppern und die Aussicht auf das Wasser und die Berge genießen. Wie der Name der Stadt „Fort William“ schon verrät, gibt es hier eine kleine, alte Festung – wobei selbst „kleine Festung“ ein wenig übertrieben klingt – ein paar Mauern mit viel Wiese, die gerne als Gassistrecke genutzt wird trifft es da schon eher. Die Festung liegt direkt beim Busbahnhof und ist eine gute Gelegenheit sich die Beine nach der langen Fahrt zu vertreten.

Startpunkt Fort William: Der Great Glen Way

Ich machte mich von dort aus auf den Great Glen Way, der direkt beim Bahnhof startet. Zugegebenermaßen landete ich nur zufällig auf dem Wanderweg, da mein Wanderurlaub alles andere als perfekt geplant war. Aber irgendwie macht das ja auch den Reiz aus: Einfach mal loslaufen und gucken, wo man landet. Denn im Urlaub braucht man zur Abwechslung eben nicht den perfekten Tagesplan, sondern kann sich auch einfach mal treiben lassen. Zumindest geht es mir so. Der Alltag in Berlin ist schon vom Planen gekennzeichnet, weswegen ich auf Reisen lieber vieles dem Zufall überlasse.

Der Great Glen Way führt zunächst quer durch ein Wohngebiet in Fort William, aber auch über einige Felder, direkt am Wasser und an blökenden Schafen vorbei. Ich fand das als Einstieg optimal, da ich noch nicht über Stock und Stein klettern musste und ganz gemächlich meine Tour startete.

Der sanfte Einstieg gab mir die Möglichkeit mich zu akklimatisieren. Immerhin war das mein erster Wanderurlaub und ich wollte mich nicht gleich mitten in die Pampa begeben. So fühlte sich der Great Glen Way, so aufgezeichnet er ausgeschildert ist, wie der perfekte Einstieg an. Mein Ziel: Das Glenfinnan Viaduct.

Zweite Etappe: Glenfinnan Viaduct

Seit ich den ersten Harry Potter-Film gesehen habe, wusste ich, dass ich einmal zum Glenfinnan Viaduct musste. Gut, für sehr lange Zeit hieß es bei mir nur „die schöne Harry Potter-Brücke“, aber ich bin ja lernfähig.

Vom Busbahnhof in Fort William ging es auf dem Great Glen Way gen Nordosten.

Corpach
Der Kanal in Corpach

Nach etwa 2 Stunden kam ich in das kleine Dörfchen Corpach mit einem „Bahnhof“ – vielmehr war der Bahnhof ein einzelnes Gleis mit einem erhöhten Bürgersteig als Bahnsteig. Der Bahnhof liegt direkt an einer Schleuse, die wiederum die westliche Zufahrt zum Kaledonischen Kanal darstellt. Ich blieb eine Weile an der Schleuse stehen und schaute den Booten zu. Die Idylle lässt sich bei herrlichstem Sonnenschein, mit dem ich gesegnet war, bestens genießen.

Eigentlich hatte ich geplant den ganzen Weg bis zum Glenfinnan Viaduct zu laufen und schaute eher aus Neugierde auf den Fahrplan. Ich als Landei kenne ja Fahrpläne, auf denen drei Busse täglich vermerkt sind. Deswegen wollte ich mal gucken, wie es um den Bahnhof von Corpach steht: deutlich besser, als in der Idylle im Landkreis Kassel… In Kürze sollte ein Zug Richtung Glenfinnan fahren – was ein Zufall! Ich fackelte nicht lang und wartete die 10 Minuten auf den Zug.

Tipp: Wer wie ich viel trinkt und dauernd auf Toilettensuche ist – direkt hinter dem Bahnhof befindet sich ein Community Center, in dem es eine öffentliche Toilette gibt. Blitzblank und geräumig, sodass man selbst mit Gepäck keine Probleme hat.

Glenfinnan Viaduct: Eine Zugfahrt mit Aussicht

Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln finde ich auf Reisen mindestens so spannend, wie Besuche im Supermarkt. Nichts gibt so tiefe Einblicke in die Gesellschaft, wie die Öffis und Supermärkte. So habe ich mir in Schweden zum Beispiel mal einen Wolf gesucht, um Taschentücher zu finden. Die befinden sich entweder in Einzelpäckchen an der Kasse und in Knöchelhöhe, weil das Naseputzen in der Öffentlichkeit verpöhnt ist. Stattdessen wird lieber fröhlich vor sich hingeschnieft. Aber zurück nach Schottland.

Wer mit dem Zug über das Glenfinnan Viaduct fahren möchte, kann entweder den berühmten Yacobite Steam Train nehmen, oder wie ich den Scottisch Rail Zug für einen Bruchteil des Preises (£5 vs.£30 für die einfach Fahrt). Der öffentliche Zug fährt allerdings deutlich schneller über die Brücke, aber die Aussicht konnte ich trotzdem genießen und mir hat es offen gestanden gereicht. Noch dazu hatte ich auch gar nicht die Wahl, da der Yacobite Steam Train im November in der Werkstatt war, um für die Weihnachtszeit aufgehübscht zu werden.

Es ist auf jeden Fall ein Erlebnis, über die berühmte Brücke zu fahren, vor allem wenn man umgeben ist von Großeltern mit ihren Kindern. Was war das für ein fröhliches Gequietsche!

Glenfinnan Viaduct
Glenfinnan Viaduct

Glenfinnan Viaduct Aussichtpunkt und Loch Shiel

In Glenfinnan angekommen führt der so genannte Glenfinnan Viaduct Trail quer durch den Wald hinunter zum Glenfinnan Viaduct und zum Loch Shiel. Der Rundweg führt anschließend auch wieder zurück zum Bahnhof, falls man wieder dahin möchte. Der Weg war matschig, teilweise rutschig und die ein oder andere kleine Kletterpartie gibt es auch. Nichtsdestotrotz ist der Weg auch für Kinder gut zu meistern. Ich traf eine Familie mit 3 Kindern, von denen das Kleinste kaum älter als 5 Jahre alt gewesen sein kann. Wer also keine zwei linke Füße hat oder furchtbar tollpatschig läuft hier problemlos entlang.

Matschiger Glenfinnan Viaduct Trail
Glenfinnan Trail
Glenfinnan Trail
Glenfinnan Viaduct Trail

Gerade in den Sommermonaten ist der Glenfinnan Viaduct Trail wie gemacht für Halbtageswanderungen für Familien mit Menschen jeden Alters. Es ist nicht ganz so matschig und auch ein wenig grüner.

Mein erstes Zwischenziel war der Aussichtspunkt direkt beim Loch Shiel am Parkplatz. Gut ausgeschildert findet man diesen Punkt auch ohne jegliche Vorbereitung (ich hatte mich wirklich ganz jämmerlich vorbereitet…). Und so sieht Glück in einem Foto aus:

Glenfinnan Viaduct Aussichtspunkt

Dort gibt es auch einen kleinen Imbiss und Touri-Shop samt Toilette. Eine heiße Schokolade ist gerade im Winter immer eine gute Idee. Zur Hochsaison wird man sich leider darauf einstellen müssen, dass beim Aussichtspunkt Schlangestehen angesagt ist, ebenso beim Imbiss. Es lohnt sich in der weniger populären Nebensaison anzureisen, da ich die Natur mit ein paar wenigen Menschen besser genießen kann. Ich hab mich mit einem Snack an den Rand des Sees gesetzt und einfach auf die Naturgeräusche gehört und tief durchgeatmet.

Loch Shiel
Loch Shiel
Loch Shiel

Vom Glenfinnan Viaduct zurück nach Fort William

Direkt am großen Parkplatz hält der Linienbus (manchmal muss man ihn heranwinken, damit er anhält, wenn man wie ich der einzige Fahrgast ist, so wie ich), der zurück nach Fort William fährt. Der Preis liegt bei 3,30 Pfund, die Fahrtzeit bei einer knappen halben Stunde. Linienbus klingt nach einem großen Bus, tatsächlich saß ich in einem 9-Sitzer, da es ja kaum Fahrgäste gibt.

Obwohl es feste Haltestellen gibt, kann man die Fahrer auch bitten an anderen Stellen anzuhalten, sofern es der Verkehr zulässt und es die Nebensaison ist. Da mein Hotel in Fort William ein wenig außerhalb lag und eher auf Gäste abzielte, die mit dem Auto anreisen, kam mir das sehr gelegen.

An dieser Stelle sei auch erwähnt, dass die schottischen Busfahrer großartig sind: an Freundlichkeit kaum zu überbieten, immer einen netten Spruch auf den Lippen und ganz nebenbei könnte ich mich auch daran gewöhnen immer „Love“ genannt zu werden.

Dritte Etappe: Fort Augustus und Loch Ness

Am zweiten Tag in Fort William hatte ich mir eine Tour nach Fort Augustus vorgenommen. Nessie besuchen, logisch. Wenn ich schon mal in den westlichen Highlands bin, darf Loch Ness nicht fehlen. Die Busfahrt von Fort William nach Fort Augustus dauert etwa eine Stunde und wie es der Zufall so wollte fuhr der Linienbus 919 direkt vor der Tür meines Hotels ab. Kostenpunkt: zwischen 7 und 11 Pfund.

Zurück auf dem Great Glen Way

Der Abschnitt ab Fort Augustus Richtung Osten führt in zwei parallelen Routen nördlich an Loch Ness vorbei. Man kann sich aussuchen, ob man die High Route, oder die Low Route nimmt. Wie die High Route schon verrät, muss man hier einiges an Höhenmetern (etwa 300) zurücklegen, was beizeiten anstrengend ist. Doch die Aussicht über Loch Ness lohnt sich, sodass ich diese Route auf jeden Fall empfehlen würde. Wer aber nicht ganz so fit ist, kann die untere Route nehmen, die mit Sicherheit auch sehr schön ist, wenn auch ohne Aussichtspunkte.

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Ich lief bis kurz vor Invermoriston in etwa 3,5 Stunden. Der Weg führt durch den Wald hoch bis auf einen Berg, der nicht nur einen tollen Ausblick über Loch Ness bietet, sondern auch auf den „Horseshoe Scree“ (Geröll, das in der Form eines umgekehrten Hufeisens am gegenüberliegenden Ufer des Loch Ness liegt – Gerüchten zufolge hat hier Nessie ihr Unwesen getrieben) und Cherry Island. Mal ist der Weg steinig und steil, dann wieder gefedert von Tannennadeln, führt durch Wiesen, vorbei an kleinen Wasserfällen und Rinnsalen. Alles in allem ein für den Kopf sehr beruhigender Weg, der mich zeitweise ganz schön ins Schwitzen brachte.

Loch Ness und Nessie

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Zurück in Fort Augustus machte ich mich auf meinen Weg zu den Bootsanlegern direkt an der Schleuse. Fort Augustus ist eine niedliche Ortschaft mit niedrigen Steinhäusern, einer mehrstufigen Schleuse und liegt gemütlich direkt am Loch Ness. Der See ist übrigens der größte Großbritanniens mit einer Tiefe von bis zu 230 Metern. Was mich nachhaltig beeindruckte war, dass es trotz der fortgeschrittenen Technik noch immer nicht gelungen ist die dunklen Ecken des Seegrundes zu erforschen. Das liegt zum Einen an der Tiefe des Sees liegt, zum Anderen an den Kleinstpartikeln im Wasser. Diese verhindern eine weite Sicht unter Wasser, selbst mit modernen Kameras und Licht. Der Mythos um Nessie wird uns also noch eine Weile erhalten bleiben.

Ich weiß nicht, wie es euch geht, aber wenn ich das Meer oder einen See sehe, muss ich eine Bootstour machen. So auch hier. Cruise Loch Ness bietet unterschiedliche Touren an und hat auch ein Sonar an Bord. So kann man verfolgen, was unter dem Boot herumschwimmt. 14,50 Pfund für eine knappe Stunde Fahrspaß auf dem bekanntesten aller Seen war es allemal wert.

Essen in Fort Augustus

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Für einen Tagestrip ist Fort Augustus eine Reise wert, viel länger muss man aber nicht hier sein. Gerade in der Nebensaison haben viele Geschäfte und Restaurants geschlossen. Entlang des Kanals und direkt am See gibt es eine Handvoll Restaurants, die aber laut einschlägiger Bewertungsseiten bestenfalls durchschnittlich sind. Eine Option ist die Fish’n’Chips Bude (Monster Fish and Chips) direkt an der Bushaltestelle unweit des Kanals. Da weiß man, dass man frittierten Fisch und Pommes bekommen und erwartet keine kulinarische Offenbarung. Die beste Entscheidung ist allerdings The Boathouse direkt am Loch Ness beim Kloster. Preislich angehoben und ebenso viel Frittiertes, gibt es hier zumindest die Möglichkeit das Essen mit rauszunehmen und mit Blick auf den See zu essen.

Statt mehrere Tage in Fort Augustus zu verbringen, würde ich mir eher den Great Glen Way in ganzer Länge auf die Fahne schreiben. Er führt komplett am kaledonischen Kanal vorbei, die ganze Strecke von Fort William nach Inverness. Mitgebrachte Snacks statt mittelmäßigem Restaurantessen sind bei der Aussicht ohnehin die beste Option.

Vierte Etappe: Portree, Isle of Skye

Nach zwei Tagen in Fort William, am Glenfinnan Viaduct und Loch Ness geht es weiter zum eigentlichen Hauptziel meiner Reise: Isle of Skye. Frühmorgens setze ich mich in den Bus, der mich in die größte „Stadt“ der Insel, nach Portree, bringen soll. Das Fischerdörfchen liegt in einer Bucht, von der aus man die anderen Inseln der Highlands sehen kann, wie zum Beispiel Raasay.

Der Bus kommt am Marktplatz an, der umringt ist von kleinen Steinhäusern. Niedlich und klein ist das Dorf, hat aber eine Menge zu bieten: hervorragende Restaurants, Unterkünfte für jedes Budget, Bars, den Hafen als Abfahrtspunkt für zahlreiche Touren und beruhigende Natur rundherum.

Am Ankunftstag ist es schon ein wenig zu spät loszuwandern, da es im November schon früh dämmert. Deswegen checke ich in mein Hotel, das Portree Hotel, ein, um mein Gepäck loszuwerden und Portree ein wenig zu erkunden. In Portree is alles fußläufig zu erreichen und es ist alles in allem wirklich niedlich und beschaulich. Die engen verwinkelten Gassen, die netten Menschen, die flachen Steinhäuser – so eine herrliche Ruhe.

Isle of Skye

Die Isle of Skye is die größte und nördlichste Insel der Inneren Hebriden. Wer mit dem Auto anreist, kann entweder eine Fähre vom Festland nehmen oder gibt es die berühmte Skye-Brücke. Sie führt in einem hohen Bogen von der Ortschaft Kyle of Lochalsh auf die Isle of Skye.

Sightseeing in Portree

Neben dem Hafen gibt es in Portree selbst keine typischen Sehenswürdigkeiten. Die Stadt selbst ist die Sehenswürdigkeit. Es gibt ein paar Tourenabieter, die alle in Portree starten, um die umliegenden Inseln der Hebriden oder aber die Sehenswürdigkeiten der Isle of Skye zu erkunden. Die Isle of Skye gehört zur Inselgruppe der Hebriden, die in die Äußeren und Inneren aufgeteilt sind. Eine Bootstour bei so viel Wasser rundherum ist also ein Muss.

Ich fahre mit einer Nachmittagstour mit Stardust Tours raus, weil ich am Hafen am Fish’n’Chips-Stand ein Schild sehe. Wildlife Spotting vom Wasser aus: Sign me up! Außer mir schließen sich noch vier weitere Personen an. Wieder einmal kommen die Vorzüge des Reisens in der Nebensaison zum Tragen. Dank der geschulten Augen unseres Guides sehen wir beeindruckende Seeadler, Seelöwen und lernen mehr über die benachbarten Inseln wie Raasay und sehen die Isle of Skye von der Wasserseite. Die zweistündige Tour kostet £20.

Ausflüge in der Nebensaison

Als weiteren Tourenanbieter für Erkundungen der Isle of Skye ist Skye Bus. Halbtagestouren, Ganztagestouren, Touren von Skye nach Inverness, Touren entlang der Küste – die Liste an Möglichkeiten ist lang. Im Winter allerdings nicht, da gibt es exakt eine Tour: die Wintertour. Diese deckt die typischen Highlights der Isle of Skye an, wie Old Man of Storr, Kilt Rock, Jurassic Glen und Fairy Glen. Wer also nicht alles zu Fuß abmarschieren möchte, kann genauso gut eine Bustour buchen.

Wer es lieber ein wenig privater hat, kann sich statt einer Bustour ein Taxi buchen. Taxis sind allerdings teuer. Wer aber sehr spezifische Ziele hat, die von den üblichen Touren nicht abgedeckt werden, oder in der Nebensaison fährt oder mal den letzten Linienbus verpasst hat, wird mit den privaten Taxiunternehmen glücklich. Allerdings muss noch dazugesagt werden, dass es nur wenige Taxis gibt und diese am besten vorausbestellt werden sollten. Ein Taxiunternehmen, mit dem ich großartige Erfahrungen gemacht hab ist Gus’s Taxi. Dazu aber später ein wenig mehr.

Bars und Restaurants in Portree

Wenn ich am Meer bin, steigt meine Lust auf Fisch. So auch in  Portree. Deswegen informierte ich mich schon vorab über die Restaurants in Portree. Drei standen sofort auf meiner Liste:

Bei Sea Breezes stellte sich vor Ort heraus, dass sie für die Saison bereits geschlossen hatten. Also blieben mir noch No. 1 Bosville Terrace und das Scorrybreac Restaurant. Ersteres ist selbst in der Nebensaison so gefragt, dass man ohne Reservierung keine Chance hat. Nicht einmal als Alleinreisende. Noch dazu ist das Restaurant winzig klein und hat, wenn ich richtig gezählt habe, nur 8 Tische. Also buchte ich mir für den zweiten Abend einen Tisch und vergnügte mich am ersten Abend im Scorrybreac. Die traditionell-schottische Küche wird hier auf einem gehobenen Level serviert in Form eines Sample Menüs. Für solche Fälle packe ich mir in mein spartanisches Gepäck immer ein Kleid (das selbst mit Wanderschuhen funktioniert), damit ich zumindest oberhalb der Tischkante vernünftig aussehe. Die Fischgerichte sind frisch und kreativ. Selbst Fish’n’Chips werden hier auf einem hohen Level serviert. Noch dazu gefiel mit die Atmosphäre sehr. Im Anschluss trank ich nebenan in der Merchant Bar noch einen Whisky. When in Scotland…

Fünfte Etappe: Portree nach Kilmaluag

Eigentlich dachte ich mir, dass Portree nach Kilmaluag halbwegs easy wird. Es gibt eine direkte Busverbindung zwischen den beiden Orten und ich dachte mir noch „sollte es mir zu viel werden oder ich es nicht schaffen, kann ich zur Not den Bus nehmen“. Tja, da hatte ich aber nicht bedacht, dass ich an einem Sonntag in der Nebensaison loslaufen würde. Das bedeutete: es gab keinen Bus. Den gesamten Tag nicht. Nun gut, es blieb mir also nichts anderes übrig als zu laufen. Die Unterkunft im Norden der Insel, in Kilmaluag, war schon gebucht. Zugegeben, ein wenig nervös war ich am Vorabend schon, ob ich die lange Strecke von fast 40 Kilometer schaffen würde.

Aber es hilft ja alles nichts, also lief ich am nächsten Morgen früh um 7 Uhr los. Ich hatte einfach ein gutes Gefühl, dass es schon irgendwie klappen würde. Klar, ein wenig naiv ist der Gedanke schon und die Strecke noch dazu brutal lang, aber Schwarzmalerei hätte mich ja auch nicht weitergebracht.

Ich lief aus der Stadt raus und genoss die kalte, frische Morgenluft. Ich traf auf buschige Kühe, sah mehrere Greifvögel. Ansonsten gab es nur Ruhe. Kein einziges Auto fuhr an mir vorbei, die Straßen waren menschenleer. Ich lief und lief auf mein erstes kleines Etappenziel zu: Old Man of Storr. Praktischerweise konnte ich die berühmte Felsformation von Anfang an auf meinem Weg sehen. Das spornte an, aber machte mir gleichzeitig klar, wie weit meine Etappe war.

Blick auf Old Man of Storr

Der Weg führt vorbei an Seen, Weiden, Bergen, kleinen Hütten – ich fühlte mich sehr wohl auf der Strecke und konnte mich an der Schönheit der Natur kaum sattsehen. Teilweise gibt es übrigens einen Wanderweg, der parallel zur Straße verlief. Da ich aber kein Kartenleser bin noch irgendwie navigieren kann, blieb ich meistens auf der Straße. Das werde ich bei weiteren Wanderungen irgendwann dazulernen, aber man muss ja erst einmal irgendwo anfangen.

Old Man of Storr

Obwohl die Zeit gemessen an der Strecke, die vor mir lag, gegen mich spielte, konnte ich nicht einfach am Old Man of Storr vorbeigehen. Ich musste einfach hoch. Wenn ich allerdings gewusst hätte, wie matschig, steil und anstrengend die Wanderung sein würde, hätte ich es vermutlich bleiben gelassen. Tja, aber ich bin hochgeklettert. Der Weg nach oben dauert in etwa 45-50 Minuten. Runter geht es natürlich schneller, aber anstrengend war der Abstieg trotzdem. Der Weg nach oben und zurück ist 3,8 Kilometer lang.

Versteht mich nicht falsch, der Aufstieg, die Aussicht, das alles ist es total wert. Aber bei einer ohnehin schon viel zu langen Tagesstrecke noch einmal 3,8 Kilometer draufzuschlagen, war gelinde gesagt unklug.

Old Man of Storr

Lealt Falls

Weiter geht es Richtung Norden. Der nächste Aussichtspunkt auf der Strecke sind die Lealt Falls. Während ich den 80 Meter tiefen Wasserfall komplett für mich alleine hatte, kann ich mir gut vorstellen, dass es hier ganz schön voll wird zur Hauptreisezeit.

Was sich seit meinem Abmarsch in Portree wie ein Katzensprung liest, also die Strecke hoch auf den Old Man of Storr und zu den Lealt Falls waren tatsächlich schon fast 6 Stunden Fußweg mit gut 23 Kilometern.

Kilt Rock und Mealt Falls

Wer die Isle of Skye besucht, schaut sich mindestens den Old Man of Storr und Kilt Rock samt Mealt Falls an. Kilt Rock erhält seinen Namen, weil die Steilküste eine Form hat wie die Kellerfalten eines schottischen Kilts. Von Kilt Rock trennen mich noch gut 5,5 Kilometer und mindestens 1h10 Laufzeit. Zu diesem Zeitpunkt fange ich langsam an mir Sorgen zu machen. Ich habe keine Taschenlampe dabei und gegen 15:30/16:00 Uhr bricht bereits die Dämmerung ein. Selbst, wenn ich es rechtzeitig zum Kilt Rock schaffe, muss ich noch weitere 2,5 bis 3 Stunden laufen, bis ich in Kilmaluag ankomme. Das wird knapp bzw. ist bei Tageslicht mittlerweile ausgeschlossen.

Noch dazu kündigen sich bei mir Hüftschmerzen an. Auch wenn ich generell viel laufe, habe ich selten bei langen Strecken Gepäck dabei. Ich trage zwar nur 9 Kilogramm auf dem Rücken, aber dennoch spüre ich, dass ich das Wandern mit Gepäck nicht gewohnt bin. Ich freue mich zwar an der Aussicht, aber die Frage, wie ich jemals in meiner Unterkunft ankommen soll, wabert mir langsam im Kopf umher. Egal, weiterlaufen, hilft ja alles nichts.

Mein erstes Mal als Anhalterin

Kurz bevor ich Kilt Rock erreiche, fällt mir ein Auto auf, das bereits das dritte Mal an mir vorbeifährt. Wenn man am Tag nur 3 bis 4 Autos sieht, fällt eben doch jedes Fahrzeug auf. Als das Auto ein viertes Mal an mir vorbeifährt, hält es an. Eine alte Dame kurbelt das Fenster herunter und fragt, wo ich hinmöchte. Wir plaudern kurz. Sie stellt sich als „Vicky, the nurse“ vor und fragt, ob sie mich ein Stück mitnehmen könne. Ich wollte eigentlich noch zum Kilt Rock, war das doch eins meiner großen Ziele für den Tag. Sie sagt: „Steig ein, ich nehme dich ein Stück mit.“ Abwägend, wie doll mir alles weh tut und ob ich es wirklich nicht anders ans Ziel schaffe, steige ich schließlich ein und komme sofort mit ihr ins Gespräch – nur ein paar Meter weiter sehe ich das Hinweisschild „Kilt Rock“ an uns vorbeiziehen und denke mir „Och nöööö, da wollte ich doch hin!“ aber Vicky scheint mir andere, wichtigere Dinge zeigen zu wollen.

So fahren wir nach Staffin. Sie zeigt mir Staffin Beach, jedes Haus, in dem mal ein Familienmitglied gewohnt hat und fährt mich schließlich bis zu meiner Unterkunft in Kilmaluag. Unterwegs erfahre ich, dass auf der Isle of Skye jeder einen besonderen Namen trägt. So zum Beispiel der Vater der Hotelbesitzerin in Kilmaluag, der den Beinamen „The Bridge“ trägt – weil er sein Haus direkt neben einer Brücke hat. Sie heiße „Vicky, the nurse“ weil sie über 45 Jahre die Bezirkskrankenschwester auf Skye war und als Hebamme arbeitete. Jeder kennt hier jeden. Es ist sehr familiär und die Gemeinden sind eingeschworen.

Mit Locals erlebt man mehr

Als ich an meinem Bed & Breakfast aussteige (The Bridge), bin ich erleichtert, nicht die ganze Strecke gelaufen zu sein. Trotzdem habe ich an diesem Tag 33 Kilometer zurückgelegt und merke JEDEN EINZELNEN KNOCHEN. Als ich Vicky frage, ob wir noch ein Abschiedsbild machen können, lehnt sie zunächst ab. „Ich habe meine Zähne zuhause vergessen“, grinst mich die 90-jährige breit an. Schließlich lässt sie sich aber doch hinreißen und ich bin froh ein Erinnerungsbild mit ihr zu haben.

Meine Unterkunft, das The Bridge Bed & Breakfast, steht mitten im Nirgendwo. Es gibt lediglich 4 Zimmer und ich bin der einzige Gast. Die Besitzerin ist ein Herz von einem Menschen und kümmert sich liebevoll um alles. Nebenan steht eine kleine Farm und 5 Minuten entfernt befindet sich die Küste. Es gibt hier absolut keine Geräusche, die totale Stille. Nachdem ich meine Sachen im Zimmer abgelegt habe, laufe ich ein paar Meter vor bis zur Küste. Auf dem Weg dahin liegen noch ein paar Farmen links und rechts, ich höre ein paar Kühe kauen und vor sich hinstampfen. Der Meerwind saust nun auf meinen Ohren und die Dämmerung schreitet gnadenlos voran. Innerhalb weniger Minuten wird es stockdunkel. Ohne Straßenbeleuchtung bemerke ich erst wieder, wie fatzdunkel es auf dem Land wird.

Zurück in der Unterkunft freue ich mich vor allem auf zwei Sachen: Eine heiße Dusche und mein Bett. Schon um 19:30 Uhr liege ich wie erschossen im Bett.

Sechste Etappe: Kilmaluag nach Uig

Am nächsten Morgen wache ich auf und fühle mich: alt. Meine Hüfte tut weh, ich habe Muskelkater, der Nacken ist verspannt und die Vorfreude weiterzulaufen hält sich ein wenig in Grenzen. Der Blick aus meinem Dachfenster hilft nicht unbedingt: es regnet in Strömen. Ich überlege mir, was ich mit dem Tag am besten anstelle: Zum Einen möchte ich unbedingt noch Kilt Rock und die Mealt Falls sehen, dann zum Fairy Glen bei Uig, aber auch noch den Neist Point. Der westlichste Punkt der Isle of Skye ist nicht nur für seine schroffe Optik bekannt, sondern eben auch für den Leuchtturm. Zu Fuß sind diese drei Punkte auf keinen Fall miteinander zu verbinden. Doch wie kriege ich meinen Dickkopf durchgesetzt, wandere trotzdem noch möglichst viel und schaffe alles zu sehen? (Freizeitstress: ich doch nicht!)

Die Besitzerin meiner Unterkunft fährt an diesem Morgen nach Portree. Sie bietet mir an mich zum Kilt Rock mitzunehmen. Ab da bin ich wieder auf mich und meine Füße gestellt. So weit, so gut. Ich werfe fix einen Blick in den Busfahrplan und scheine Glück zu haben. An diesem Tag gibt es einen Bus vom Kilt Rock zur Hafenstadt Uig. In Uig kann ich zu den Fairy Glens wandern. Fehlt also nur noch mein Transport zum Neist Point und zurück nach Portree. Denn da soll ich am Folgetag wieder abfahren Richtung Glasgow.

Sonntags: keine Busse

Das wiederum stellt sich als wahre Herausforderung heraus, denn es gibt keine organisierten Touren zum Neist Point und Busse fahren dort auch nicht hin. Bleibt also nur ein Taxi. Nach ein wenig hin- und herüberlegen buche ich mir ein Taxi mit Gus, das mich in Uig einsammeln soll, zum Neist Point bringt und wieder nach Portree. Mancher mag sich denken: Wanderurlaub, so so. Bei nur 8 Tagen Zeit musste ich schauen, wie ich meinen Wunsch viel zu sehen und möglichst viel zu wandern unter einen Hut bekomme. Da darf auch mal eine Strecke mit dem Taxi zurückgelegt werden.

Wir fahren also los zum Kilt Rock und ich freue mich, dass ich den Wasserfall und die Aussicht auf die Küste genießen kann. Mir schlägt der Regen von allen Seiten ins Gesicht. Innerhalb von Sekunden bin ich klatschnass. Aber dafür trägt man ja Outdoorkleidung, nicht wahr?

Mealt Falls and Kilt Rock

Uig und Fairy Glen

Direkt danach erwische ich den Bus, der die Isle of Skye im Norden umrundet und nach Uig fährt. Von der Bushhaltestelle in Uig bis zu den Fairy Glens ist es etwa eine halbe Stunde Fußweg. Fairy Glen soll der Ort sein, an dem Feen wohnen. Grün-braune Hügel, Steinspiralen am Boden, kleine Tümpel, umherstromernde Schafe, Bäche und kleine Wasserfälle – Fairy Glen ist wirklich ein magischer Ort. Zu meinem Besuch aber vor allem ein extrem sumpfiger, schlammiger Ort. Die Hügel zu erklimmen war eine richtige Schlitterpartie. Jeden Meter, den ich hochklettere, rutsche ich 2 Meter wieder runter. Und trotzdem lohnt sich der Besuch. Auch wenn man mit dem Auto durch den gesamten Park fahren kann, würde ich empfehlen das Auto stehen zu lassen und die Landschaft zu Fuß zu erkunden.

An dieser Stelle sollte ich auch erwähnen, dass ich noch nie in meinem Leben so nass war, wie in Uig und Fairy Glen. Ich tropfte aus den Ärmeln, von den Wimpern, den Haaren, meine Schuhe sind 2 Liter schwerer… der Regen kam an diesem Tag aus jeder Richtung. Als ich am Hafen von Uig auf mein Taxi warte, zittere ich am ganzen Leib und wünsche mir ein Handtuch herbei. Und trotzdem grinse ich vor mich hin, denn genau DAS Wetter erwartete ich eigentlich, als ich meinen Flug nach Glasgow buchte. Schottland im November: End-of-the-worldish.

Neist Point und meine schönste Reiseerinnerung

Wie mit Gus‘ Taxi vereinbart, holt mich ein Fahrer am Hafen ab. Sein Name ist Sandy. Gerade als alleinreisende Frau finde ich es beruhigend, schon im Vorfeld zu wissen, wie mein Fahrer heißt und mit welchem Fahrzeug er kommt. Es ist keine Übertreibung, wenn ich sage, dass die Fahrt mit Sandy meine mit Abstand liebste Erinnerung an meine Reise ist, über die ich auch bei Travel Episodes geschrieben habe. Wir verbringen etwa 2,5 Stunden zusammen, so lange dauert die Fahrt von Uig zum Neist Point Leuchtturm und nach Portree. Wir reden über Gott und die Welt und natürlich Whiskey. Sandy ist Polizist im Ruhestand und arbeitet hin und wieder für seinen Freund Gus als Taxi-Fahrer.

Es ist keine Übertreibung, wenn ich sage, dass die Fahrt mit Sandy meine mit Abstand liebste Erinnerung an meine Reise ist.

Als er noch als Polizist arbeitete, war er in Fort Augustus stationiert – direkt an Loch Ness. Ihr ahnt es vielleicht, aber natürlich sprachen wir auch von Nessie. Kein Trip in die schottischen Highlands ist vollständig ohne Gruselgeschichten über das Monster von Loch Ness. Auch Sandy sagt, er habe das Monster gesehen bei einem seiner Polizeieinsatz. Er berichtet mir ausführlich, wie er Streife fuhr und lautes Rauschen und Platschen vom Wasser kommend hört. In der Vermutung, dass es sich eventuell um ein in Seenot geratenes Boot handelt, sprintet er zum Wasser und sichtet stattdessen zwei große Rückenfinnen eines riesigen fischartigen Wesens. Ob man nun an Nessie glaubt oder nicht, sind so ein paar Mysterien und Schauergeschichten doch was Schönes.

Neist Point: gefährlich windig

Wir fahren vor bis zum Neist Point. Der Wind bläst wie verrückt, der Regen peitscht gegen das Auto. Sandy warnt mich beim Verlassen des Autos, dass ich auf mich aufpassen soll. Fast schon mit väterlicher Fürsorge zeigt er mir den Weg zum Leuchtturm. Ich denke mir zunächst, dass es schon nur halb so wild sein wird. Und dann sehe ich die Wasserfälle aufwärts fließen. Der Wind hat am heutigen Regentag eine ungeheure Kraft und fegt mir fast die Füße unterm Körper weg. Die Regentropfen schlagen mit voller Wucht ins Gesicht. Es prickelt richtig auf der Haut. Ich laufe weiter und weiter Richtung Leuchtturm, doch als ich um die Kurve gehe, hält es mich nicht mehr auf den Beinen. Der Wind ist zu stark. Ich erhasche nur einen kurzen Blick auf den Leuchtturm, bevor ich den Rückweg antrete.

Noch nasser als vorher steige ich wieder ins Auto und bin bereit für den Rückweg nach Portree. Ich freue mich auf trockene Kleidung, trockene Haare und trockene Hände. Trotzdem fällt mir der Abschied von Sandy schwer. Die 2,5 Stunden mit ihm waren die schönsten Stunden auf der Isle of Skye für mich. Erst im Zimmer bemerke ich, dass ich nicht einmal ein Erinnerungsbild mit ihm geknipst habe.

Bevor ich am kommenden Tag die Rückreise nach Glasgow antrete, spaziere ich noch einmal durch Portree. Plötzlich hupt mich ein Auto an, es ist Sandy. Er ist von seinem Dörfchen noch einmal nach Portree gefahren, um mir etwas zu geben. Er drückt mir einen dicken, großen Umschlag in die Hand. Sämtliche Zeitungsartikel, die er von seiner Nessie-Sichtung gefunden hat, hat er für mich kopiert, die relevanten Stellen angestrichen und Auszüge aus dem Polizei-Archiv für mich ausgedruckt, damit ich Lesestoff für die Busfahrt nach Glasgow habe. In dem Moment bin ich so gerührt, dass mir fast die Tränen kommen. Ich reiße mich noch einen Moment zusammen, aber kann nicht leugnen, dass die Begegnung mit Sandy mich nachhaltig bewegt und berührt hat. (Geheult vor Rührung hab ich später.)

Rückweg nach Glasgow

Dank Sandy habe ich also spannenden Lesestoff, um die Fahrt noch schneller vergehen zu lassen. Auf der Busfahrt sehe ich zahlreiche Regenbögen, freu mich über die zweite Überquerung der Skye-Bridge und bin um ein paar Erfahrungen reicher.

  1. Die Schotten sind die mit Abstand herzlichsten und hilfsbereitesten Menschen, die ich je getroffen habe
  2. Wandern kann auch ungeplant und ohne Erfahrung klappen, wenn man auf der Straße bleibt und sich manchmal ein wenig auf sein Glück verlässt
  3. 40 Kilometer Strecke an einem Tag sind zu viel
  4. Ich muss zurückkehren für den Great Glen Way
  5. Ich habe wieder zu viel Zeug eingepackt – ich muss lernen zu reduzieren
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