Der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Das weiß jeder, der mal versucht hat, eine Angewohnheit abzulegen, wie Rauchen, permanent das Handy checken oder Fingernägel kauen. So ist es bei unserem Handeln, und bei unserem Denken. Unsere Denkmuster haben ebenso Marotten, wie unsere physischen Ticks. An Ratgebern, wie wir unser Verhalten ändern können, mangelt es auf dem Buchmarkt nicht. Auch Podcasts, Youtube-Kanäle und selbsterklärte Coaches auf Instagram versprechen euch dabei zu helfen, euch zu verändern, eure Automatismen zu durchbrechen.
Ich muss zugeben, dass ich Selbshilfe- und Selbstoptimierungsbücher liebe! Doch statt mit Selbsthilfebuch geht es auch subtiler. Denn nicht immer muss man sich selbst und sein ganzes Wesen ändern, um eine Änderung zu erzielen. Manchmal hilft es schon, etwas aus einer anderen Perspektive zu sehen. Sei es sich selbst, seine Umwelt oder das Miteinander mit anderen Menschen. Ein paar Bücher haben bei mir einen besonders bleibenden Eindruck hinterlassen (auch so genannte Selbsthilfebücher, nur das Wort klingt immer gleich so verzweifelt), da sie mir plausibel, logisch und mit viel Spaß einen anderen Blickwinkel aufzeigten. Auf dass das eine oder andere eure auch Freude bereitet.
Inhalt:
Yuval Noah Harari: Homo Deus
Nach Sapiens ist Homo Deus das zweite Meisterwerk des israelischen Geschichts-Professors Yuval Noah Harari und es lässt mich nicht mehr los. Es sind Feststellungen wie diese, die mich das Buch verschlingen ließen:
Für den Durchschnittsamerikaner oder -europäer stellt Coca-Cola eine weitaus tödlichere Bedrohung dar als al-Qaida.
Es gibt heute praktisch keine natürlichen Hungersnöte mehr auf dieser Welt, sondern nur politische.
Die weit überwiegende Mehrheit der Menschen stirbt an nicht-ansteckenden Krankheiten wie Krebs oder Herzleiden oder schlicht aus Altersgründen.
Mehr Menschen sterben an Selbstmord, als im Krieg getötet werden. Wir sind die einzige Spezies in der langen Geschichte der Erde, die mit eigener Kraft den gesamten Planeten verändert hat. Und wir erwarten heute nicht mehr, dass irgendein höheres Wesen unser Schicksal für uns bestimmt.
Der Tod ist lediglich ein technischer Fehler.
Eingeleitet wird das Buch mit der Feststellung, dass wir Menschen uns im 21. Jahrhundert neuen Problemen und Herausforderungen widmen können, da die größten Probleme Krieg, Hunger und Krankheiten rein theoretisch besiegbar sind. Gemeint ist damit, dass Kriege, Hungersnöte und Krankheiten zum Beispiel vor 300 Jahren omnipräsent waren. Sie waren der Grund, warum Menschen zu allen möglichen Göttern beteten, um doch bitte verschont zu bleiben. Der Tod lauerte sozusagen an jeder Ecke.
Überwunden sind diese Probleme zwar noch nicht, schaut man sich den Krieg in Syrien an, das Wüten von Krebs und Malaria sieht und noch immer einen von zehn Menschen weltweit an Hunger sterben sieht. Dennoch hält Harari fest, dass heute mehr Menschen daran sterben, dass sie zu viel, und nicht zu wenig essen. 2010 starben drei Millionen Menschen an den Folgen von Übergewicht. Unterm Strich sind das mehr, als durch Terrorismus, Hunger, Kriege und Verbrechen zusammen. Der Großteil der Menschheit muss nicht fürchten in Kürze an einer der drei Herausforderungen der Menschheit zu sterben.
Sind diese Probleme der Menschheit rein theoretisch besiegbar (gäbe es nicht wirtschaftliche, politische oder machtmotivierte Interessen), brauchen wir in unserer schnelllebigen Zeit neue Ziele. Warum? Weil wir im Vergleich zur Menschheit im Mittelalter nicht einmal mehr unserer nahe Zukunft voraussagen oder -ahnen können. Wir wissen nicht, womit wir in 25 Jahren unseren Unterhalt verdienen werden. Welche Berufe wird es noch geben, wie entwickelt sich die Technologie weiter, wie die durchschnittliche Lebenserwartung? Aus dieser Unsicherheit erwächst unter anderem der Wunsch nach Zielen, Wegpunkten. Harari schlägt folgende vor: Unsterblichkeit, Glück und Göttlichkeit.
Ich möchte nicht zu viel vorwegnehmen, aber so viel sei gesagt: Harari erklärt sehr detailliert, in welche Richtung sich die Menschheit weiterentwickeln kann und ich finde es atemberaubend. Aber auch beängstigend und beunruhigend. Seither lese ich Technologie-News und medizinische Errungenschaften mit ein wenig Unbehagen, aber auch Faszination.
Perspektivenwechsel: Welche Herausforderungen stehen uns wirklich noch bevor?
Jen Sincero: You are a badass
Wie oft wollte ich beim Lesen aufspringen und einfach nur „Hell YES!“ brüllen. Das ist das Gefühl, das Jen Sincero in mir hervorrief. Als sei ich unbesiegbar und einfach alles möglich. (Und alles klingt besser mit ein paar F-Bombs.) Sie macht das nicht, indem sie einem nur sagt „mach dies anders, mach jenes anders“, sondern sie schreibt über ihre Erfahrungen. Ihr Leben sah zwischendurch alles andere als rosig aus, ein blöder Job jagte den nächsten und Geld hatte sie auch nie genug. Dann fing sie an jedes Seminar zur Selbstverbesserung zu besuchen, das sie finden konnte. Sie las jedes Buch und versuchte alles aus. Mit dem Ergebnis: This shit works!
Sie schreibt:
If you’re serious about changing your life, you’ll find a way. If you’re not, you’ll find an excuse.
Follow what feels good in the moment, every moment, and it will lead you through a most excellent life.
The only failure is quitting. Everything else is just gathering information.
What other people think about you has nothing to do with you and everything to do with them.
Und genau dieser Satz setzte bei mir unheimlich viel Bewegung. Anstatt anderen Gefallen zu wollen und tief erschüttert zu sein, falls jemand mich ablehnte (ohne ersichtlichen Grund) und mir darüber den Kopf zu zermartern, begann ich zu sagen „Fuck it“.
Imagine what our world would be like if everyone loved themselves so much that they weren’t threatened by other people’s opinions or skin colors or sexual preferences or talents or education or possessions or lack of possessions or religious beliefs or customs or their general tendency to just be whoever the hell they are.
Ist das nicht eine schöne Vorstellung (und sehr wahrscheinlich ein Fakt), dass alles mit Selbstliebe beginnt? You are a badass ist ein energiegeladenes Buch, das durch und durch positiv ist, beflügelt und eventuell zu einer überproportionalen Verwendung von Fluch- und Schimpfwörtern führt.
Perspektivenwechsel: Liebe dich selbst und alles andere wird sich fügen.
Dale Carnegie: How to win friends and influence people
Zugegeben, der Titel klingt irgendwie seltsam und mutet manipulativ an. Beginnt man aber das Lesen und führt sich vor Augen, dass Dale Carnegie’s Werk aus dem Jahr 1936 ist, staunt man nicht schlecht. Denn an Aktualität hat es nicht im Geringsten verloren. Nicht umsonst gehört das Buch mit 15 Millionen Exemplaren zu einem DER Top-Bestseller weltweit.
Das Buch ist wie ein gut strukturierter Ratgeber aufgebaut, der dem Leser Tipps an die Hand gibt
- zum Umgang mit Menschen
- wie man Menschen dazu bekommt, einen zu mögen
- wie man Menschen dazu bringt, so zu denken wie man selbst
- wie man Menschen verändert, ohne beleidigend zu sein
Wie gesagt, es liest sich zunächst etwas manipulierend, setzt aber einfach Prinzipien voraus, die auf so gut wie jeden menschen zutreffen. Daher hangelt er sich an ein paar Punkten lang, die nicht nur einleuchtend, sondern leicht beweisbar sind.
Wie schaffe ich es, dass sich Menschen gerne mit mir unterhalten? Indem ich nicht rede. Denn Menschen reden gerne über sich selbst. Carnegie stellt aber nicht nur solche Thesen in den Raum, sondern leitet sie meist mit einer Anekdote ein. So ist es für den Lesen einfach nachvollziehbar.
Ich würde zwar nicht mit jedem Punkt und mit jeder Theorie des Buches übereinstimmen, dennoch reißen einen die Ausführungen von Carnegie aus der mentalen Routine heraus und zeigen Alternativen auf. Ich finde, dass das Buch vor allem die eigene Empathie schult und den Perspektivenwechsel erleichtert.
Perspektivenwechsel: Wenn ich anders behandelt werden möchte, muss ich mein Verhalten verändern.
Rebecca Solnit: Men explain the world to me
Was habe ich da nur gelesen, nein, verschlungen? Nicht einmal zwei Tage und ich hatte die 164 Seiten durch. Tagtäglich wird man als feministisch denkende Frau mit schlimmen Statistiken und Zahlen konfrontiert, sieht reine Männer-Panels und rollt genervt die Augen bis tief in den Kopf hinein und bekommt Stellenanzeigen für Unternehmen, die nur aus weißen, alten Männern bestehen.
Keine Sorge, ich möchte dieses Fass nicht aufmachen und an dieser Stelle eine Grundsatzdiskussion niederschreiben, aber vielleicht können das die folgenden Zitate aus Solnits Buch für mich übernehmen:
Die Zahl von 11.766 Toten durch häusliche Gewalt, die zwischen dem 11. September 2001 und 2012 zusammenkam, ist höher als die Gesamtzahl jenes Tages und aller amerikanischen Soldaten, die im Krieg gegen den Terror getötet wurden.
In diesem Land [USA] wird alle neun Sekunden eine Frau geschlagen. Wohlgemerkt alle neun Sekunden, nicht neun Minuten! Häusliche Gewalt ist die häufigste Verletzungsursache amerikanischer Frauen. […] Für Frauen zwischen fünfzehn und vierundvierzig Jahren ist die Gefahr, durch männliche Gewalt zu sterben oder verstümmelt zu werden, weltweit größer als durch Krebs, Malaria, Krieg oder Verkehrsunfälle zusammen.
„Bei meinen Treffen mit gleichgeschlechtlichen Paaren vor der Zeremonie wurde mir eines klar: In diesen Beziehungen gibt es die alte patriarchalische Grundausrichtung einfach nicht. Es ist wunderbar, das zu sehen.“ Die amerikanischen Konservativen fürchten sich vor diesem Egalitarismus, oder vielleicht empört er sie auch einfach nur. Er entspricht nicht der Tradition.
Vieles deutet darauf hin, dass sich diejenigen, denen die Öffnung der Ehe als Bedrohung erscheint, von der Idee einer gleichberechtigten Beziehung schlechthin bedroht fühlen, sei sie heterosexuell oder homosexuell.
In meinen schwärzesten Momenten denke ich manchmal, Frauen haben nur die Wahl, sich entweder bestrafen zu lassen, weil sie sich nicht unterwerfen, oder sich der Dauerstrafe der Unterwerfung auszusetzen. Auch wenn sich Ideen nicht wieder in die Büchse zurückbefördern lassen, gibt es nach wie vor gewaltige Anstrengungen, Frauen in ihre Schranken zu verweisen. Dahin, wo sie nach Ansicht der Misogynen gehören: in die Sprach- und Machtlosigkeit.
Männer begehen die Mehrzahl aller Verbrechen, insbesondere der Gewaltverbrechen, und sie stellen auch die meisten Selbstmörder. […] Meiner Ansicht nach muss die Zukunft des Feminismus […] eine intensivere Analyse der Männer mit sich bringen.
Auch wenn diese Zitate vor allem den Fokus auf Gewalt gegen Frauen und auf gewalttätige Männer an sich legen, geht es Solnit nicht darum, das Böse im Mann zu betonen. Vielmehr bemüht sie sich darum die gesellschaftlichen Strukturen zu verstehen, die Männer zu solchen Gewalttaten treiben und die ihnen das vermeintliche Recht geben über Frauen zu bestimmen. Laut ihrer Argumentation sind sie ebenso Opfer, wenn auch Opfer des Systems. Denn feminine Männer haben ebenso Schwierigkeiten ihren Platz zu finden und sie selbst zu sein in einem patriarchalischen System, wie schwule Männer. Aus diesem Konflikt entwachsen Gewalttaten, so ihre These.
Ein spannendes, leicht zu lesendes Buch, das wohlrecherchiert Zahlen und Fakten zusammenträgt, mit Mythen aufräumt und einen mehr als einmal beim Lesen die Augen groß aufreißen lässt. (P.S. Auch für Männer ein überaus lesenswertes Buch)
Perspektivenwechsel: Wer leidet wie in unserem gesellschaftlichen System?
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Photo by Kinga Cichewicz on Unsplash