Kennt ihr diesen Moment, in dem ihr etwas als vollkommen selbstverständlich voraussetzt und dann plötzlich mit einer ganz anderen Realität konfrontiert werdet? Mir ging es so mit unserem Artikel über Menstruationstassen. Meine Freundinnen und ich unterhalten uns seit Jahren vollkommen ungezwungen über die Mens mit allem was dazu gehört. Wir probieren neue Produkte aus und tauschen unsere Erfahrungen aus. Deswegen schrieb ich auch den Artikel über die Menstruationstasse, denn für mich ist sie etwas vollkommen „Normales“, über das es sich lohnt auszutauschen. Dann teilte ich ihn auf unserer Facebook-Seite. Ab da wurde es wild.
Denn wenn mich etwas in den vergangenen Wochen richtig überrascht hat, dann, wie tief der Ekel beim Thema Menstruation mancherorts offenbar sitzt. Blut und die Periode sind iiih bah bah. Unser Artikel über die Menstruationstasse wurde auf Facebook hitzig diskutiert, hitziger als ich es je erwartet hätte. Zahlreiche Frauen schrieben: Sauerei. Ekelhaft. Das ist ja sowas von widerlich! Im selben Waschbecken, in dem sich eure Gäste die Hände waschen, spült ihr die Menstruationstasse aus? Zu euch komme ich nicht zu Besuch.
Gefolgt von Kotz-Smilies und anderen Ausdrücken des Ekels.
Inhalt:
Tabuthema Menstruationsblut
Das war nicht nur ein Überraschungsmoment, sondern auch ein stückweit eine Offenbarung. Ich habe zum ersten Mal gemerkt, dass ich in Berlin in einer Blase lebe. Nicht nur, dass sich meine Freunde und ich uns über die neuesten Erfindungen in Sachen Menstruation austauschen. Wir schauen auch nach neuen Produkten, was für Bücher und Social Media Accounts zum Thema es gibt, wer die starken Stimmen in dieser “Frauenbewegung” sind – kurzum: wir kennen uns aus und informieren uns gegenseitig. Wir bekommen auch einfach viel mehr von solchen Produkten und Trends mit, von Crowdfunding-Initiativen und so weiter. Das it mit Sicherheit Berlin geschuldet, dem Epizentrum der Neuigkeiten und unzähligen Optionen.
Was wir allerdings nicht kennen ist Scham und Ekel vor der eigenen Menstruation in dem Ausmaß, wie es uns auf Facebook entgegenschlug. Ganz im Gegenteil. Als mir mal ein Kollege, nachdem ich ein Meeting wegen Menstruationskrämpfen verlassen musste, quer durch das Großraumbüro entgegenschmetterte “Na, hattest wohl keinen Bock mehr”, konnte ich ihm eben so zurückrufen “Sorry, hab Menstruationskrämpfe und konnte mich nicht mehr konzentrieren”, ohne dass die Welt stehenblieb.
Mein Mann kennt die Länge meines Zyklusses und wann ich besonders von Schmerzen und Stimmungsschwankungen betroffen bin. Das ist meine “Menstruationswirklichkeit” – mein Umfeld, egal ob männlich oder weiblich, kennt sich aus und tauscht sich offen aus.
Es gibt mehr als eine Realität
Doch für viele ist sie das eben nicht. Das hatte ich unterschätzt. Menstruationsblut ist leider immer noch ein Tabu. Sie löst Ekel aus und gehört totgeschwiegen. Das ist besonders deswegen bedauerlich, weil es ohne sie kein Leben gäbe und es ein natürlicher Ablauf im weiblichen Körper ist. Versteht mich nicht falsch, ich hab auch Tage, an denen ich alles andere als gut Freund mit meinen Tagen bin und ich laufe auch nicht tamponschwingend durch das Büro, dennoch würde es mir nicht in den Sinn kommen mich für meine Tage zu schämen.
Trotzdem habe ich seit dem großen Aufschrei auf Facebook meinen Blickwinkel noch einmal überprüft. Ich bin in einer anderen Zeit und in einem anderen Kontext groß geworden, als viele andere. Ich darf mich glücklich schätzen, dass sowohl in der Schule, unter Freundinnen, in der Familie, wo auch immer, das Thema Monatsblutung offen besprochen wurde. Immer schon. Das bedeutet aber nicht, dass wenn sich jemand vor der Blutung ekelt, es nicht genau so eine Daseinsberechtigung hat, wie meine Sicht der Dinge. Ich bin auch dankbar für all die Reaktionen, dass viele Frauen und auch ein paar Männer den Austausch gesucht haben.
Nicht immer waren die Kommentare konstruktiv, dennoch, es war eine Reaktion.
Trotzdem finde ich es schade, dass ein natürlicher Ablauf mit dermaßen negativen Gefühlen belegt sein kann. Denn im Umkehrschluss gilt der Ekel und die Abscheu nicht nur dem Blut, sondern auch dem eigenen Körper gegenüber. Sollten wir Frauen uns nicht eher darüber freuen, dass wir die Möglichkeit haben Kinder auszutragen, Kinderwunsch hin oder her? Sollten wir nicht stolz darauf sein, wozu unser Körper Tag um Tag, Monat um Monat in der Lage ist?
Ich frage mich, woher dieser Ekel überhaupt kommt. Wurde uns das so beigebracht? Oder vorgelebt? Oder ist die Abscheu vor Blut etwas „Natürliches“? Fragen über Fragen.
Lasst uns mehr über die Menstruation sprechen!
Genau deswegen habe ich mich dazu entschlossen mich weiter dem Thema zu widmen. Ich glaube, dass wir noch viel mehr über unsere Tage reden müssen, bis es irgendwann vollkommen normal ist darüber zu sprechen und im besten Fall auch mal Urlaubstage für den ersten Tag der Mens zu bekommen. Die Scheu abbauen. Das wäre herrlich. Bis zu dem Tag, an dem wir Frauen so stolz auf unsere Körper in all ihrer Vielfalt sind, dass es kein Halten mehr gibt.
Wer ist dabei?
- Keleya, die App für Schwangere
- Ooia Period Panty – Periodenunterwäsche aus Berlin
- Periodenunterwäsche im Vergleich: Kora Mikino, Modibodi, Pourprées, Thinx, Ooia, Sisters Republic und The Female Company
- Birgit Bulla: Noch ganz dicht? Das Buch über die Blase
- Pille absetzen: Warum solltest du die Pille absetzen? Tipps & Probleme
- Modibodi: Menstruationssichere Bademode im Test