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Wenn die Blase drückt: Das Buch über die weibliche Blase

Birgit Bulla: Noch ganz dicht? Das Buch über die Blase

Kannst du dich noch an das Buch „Darm mit Charme“ erinnern, das vor einigen Jahren erschien? Gelesen hab ich es nicht, aber fand es damals wie heute faszinierend, was für Wellen ein Sachbuch über den Darm schlagen kann und es wochenlang die Bestseller-Listen anführte. Damals hat die Autorin den Nerv der Zeit getroffen und darüber hinaus den Mut gehabt, über ein Thema zu schreiben, über das höchstens leise getuschelt wird.

Als ich anfing, über Menstruation, die passende Unterwäsche und Menstruationstassen zu schreiben, wurde hier und da die Nase gerümpft. Kommentare auf Facebook umfassten die Bandbreite von „Das ist ja ekelhaft“ zu „Darüber redet und schreibt man nicht.“ Dazu mischten sich aber Kommentatoren, die dankbar waren, dass „Tabu-Themen“ endlich diskutiert werden. Denn ein Thema wird erst dann zu einem Tabu, wenn es viele Leute zu einem erklären oder es irgendwann in anno Schnee mal zu einem Tabu ernannt wurde. Doch der Status quo darf und sollte hinterfragt werden. Ist es nicht absurd, dass körperliche Abläufe einfach so einen Stempel erhalten, obwohl ein großer Teil der Bevölkerung monatlich blutet und wir definitiv alle auf die Toilette gehen?

Lasst uns über Tuschel-Themen reden

Es ist an der Zeit, dass wir darüber reden. Denn es ist spannend genauer zu erfahren, was in unseren Körpern passiert und wie Körper und Geist zusammenhängen. Eine, die nun genau diesen Weg geht und sich ein Tuschel-Thema vorgenommen hat, ist Birgit Bulla. Ihr Buch „Noch ganz dicht?“ widmet sich der Blase, mit allem was dazu gehört. Also von der Funktionsweise der Blase, ihrem Zusammenspiel mit den Nieren, zu Blasenentzündungen über Blasenschwäche und Inkontinenz samt weiteren Blasenfunktionsstörungen. Wer jetzt denkt, dass das nach Bio-Unterricht klingt: Damit liegt man prinzipiell nicht verkehrt. Mit dem eklatanten Unterschied, dass man zu Schulzeiten längst nicht in dieser Ausführlichkeit und Tiefe in diesen Bereich unseres Körpers eingetaucht ist und nicht mit so viel Witz und anschaulichen Skizzen. Fun Fact: In ihrem Buch gendert Birgit alle Berufe weiblich, was ich als erfrischend anders empfand.

Nun ist es so, dass in Deutschland gut 10 Millionen Menschen an Inkontinenz leiden. Das sind trotz unserer alten Gesellschaft aber eben nicht nur Omas und Opas, denn laut der Deutschen Kontinenz Gesellschaft leiden etwa 10 Prozent der unter 20-Jährigen unter Inkontinenz, ab 30 Jahren sind es dann schon 20 Prozent. Die Blasenentzündung ist die zweithäufigste Ursache, warum Frauen zum Arzt gehen. Und was wissen wir über unsere Blase? Ganz schön wenig. Über die Gründe für Inkontinenz und eine Reizblase gleich noch viel weniger. Wenn bei einem selbst alles läuft (pun intended), macht man sich natürlich keine Gedanken: Der Körper sagt „geh auf die Toilette“, du gehst, pinkelst, fertig. Was aber, wenn genau das nicht klappt, man viel zu häufig flitzen muss und man wird auch mit ärztlicher Unterstützung nicht schlau, was das Problem ist?

 
 
 
 
 
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Birgit Bulla: Von der Betroffenen zur Buchautorin

So ging es Birgit Bulla. Sie leidet seit ihrem 27. Lebensjahr an einer Reizblase, was bedeutet, das sie gut und gerne alle 20 Minuten auf die Toilette muss. Ihr Alltag wurde immer belastender, denn die Angst, es nicht mehr rechtzeitig auf die Toilette zu schaffen, kein Meeting in voller Länge ohne Pinkelstopp durchzuhalten, war immer im Hinterkopf. Aus der Not heraus und dank unterstützender Worte aus dem Freundeskreis entstand die Idee zum Buch „Noch ganz dicht?„, das am 21.09.2020 bei hanserblau erschienen ist. Da Birgit Redakteurin ist, lag das Schreiben eines Buches auch nicht so fern.

Erzähl doch mal etwas zum Background, warum du das Buch geschrieben hast.

Also, ich habe da schon sehr lange mit mir gerungen. Klar, es war mir unangenehm und ich dachte ganz lange, ich bin die einzige Person auf der Welt, die dieses Pinkelproblem hat. Dann haben mich aber so viele Menschen in meinem Umfeld ermutigt und gesagt, dass es blöd wäre, damit nicht an die Öffentlichkeit zu gehen.

Was war dein größer Aha- oder Wow-Moment während der Recherche für dein Buch?

Also, ich finde es schon sehr krass, dass die Blasenentzündung die zweithäufigste Krankheit ist, warum Frauen überhaupt zum Arzt oder zur Ärztin gehen. Und trotzdem wird nicht wirklich viel darüber gesprochen oder informiert. Überhaupt, dass das ganze Urologie-Thema so extrem männerdominiert ist. Obwohl Frauen durch die verkürzte Harnröhre viel anfälliger für Entzündungen sind oder nach Schwangerschaft und Geburt oft von einer Belastungsinkontinenz geplagt werden.

Was war die größte Veränderung in deinem Leben, nachdem du das Buch geschrieben hast? Trinkst du “strategische Getränke”, damit du nicht so oft aufs Klo musst?

Oh ja, das hat schon während des Schreibens angefangen. Also ich habe extrem darauf geachtet, wie ich auf dem Klo sitze und pinkle. Was passiert da gerade genau? Halte ich wirklich die Luft an? Lasse ich mir genug Zeit? Drücke ich auch nicht zu doll und und und. Getränketechnisch habe ich nicht wirklich viel verändert. Ausreichend getrunken habe ich immer schon. Trotzdem weiß ich jetzt noch genauer, wie wichtig es ist, viel zu trinken, um die Blase auch ja immer gut durchzuspülen.

 
 
 
 
 
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Fakten über die Blase

Jetzt mal ganz ehrlich: Was weißt du über die Blase? Mein Wissensstand vor dem Lesen von „Noch ganz dicht?“ sah in etwa so aus:

  • Ich trinke etwas und nach einer bestimmten Zeit muss ich auf die Toilette. Bei schwarzem Tee und Bier geht es schneller als bei Wein und Leitungswasser.
  • Wenn ich dringend auf die Toilette muss, passt der Schlüssel nie auf Anhieb ins Schloss und stehe ich schon vor der Badezimmertür, zerreißt mich der Blasenreiz fast.
  • Wenn ich aufs Klo muss, darf mich keine kitzeln, denn lachen und volle Blase passen nicht zusammen.
  • Frauen gehen öfter aufs Klo als Männer.

Das sind ehrlich gesagt nicht sonderliche harte Fakten, sondern eher eine gefühlte Wahrheit. Dementsprechend steil war meine Lernkurve mit dem Buch.

Was passiert nach dem Trinken im Körper?

„Ihr habt vor etwa zwei Stunden eure Literflasche Apfelschorle geleert und fragt euch nun, was wohl gerade mit der Flüssigkeit in eurem Bauch passiert. Die Apfelschorle gelangt durch die Speiseröhre in den Magen und von da aus in den Darm. Durch die Darmschleimhaut wird ein Teil der Schorle bereits ins Blut aufgenommen und durch unseren Körper gepumpt, das Blut gibt dabei Nährstoffe an den Körper ab, nimmt Giftstoffe auf und gelangt irgendwann in unsere Nieren. Die filtern das Blut, reinigen es und verarbeiten es schließlich zu Urin. Über die Harnleiter gelangt der Urin nun in die Blase.“

Frauen haben eine kleinere Blase als Männer

Ha, ich hab es doch gewusst. Während in die Blase einer Frau zwischen 350 und 550 ml passen, sind es bei Männer 550 bis 750 ml. Dementsprechend logisch ist es auch, dass wir Frauen häufiger auf die Toilette müssen. Der Harndrang setzt normalerweise bei einer zu 50 Prozent gefüllten Blase ein, wobei das „normal“ hier auch mit Vorsicht zu genießen ist. Dringend wird die Chose bei ungefähr 70-prozentiger Füllung. Ein Bauchgefühl wird an dieser Stelle übrigens bestätigt, denn bestimmte Getränke bzw. Inhaltsstoffe lösen den Harndrang früher aus als andere. Hier kommen wir zum Bier und Kohlesäurebläschen, die uns tatsächlich häufiger Richtung WC springen lassen.

Luft anhalten beim Pinkeln

Das war tatsächlich ein Fakt, den ich noch nicht bemerkt hatte, der aber direkt überprüft wurde. Tatsächlich ist es so, dass wenn wir uns auf die Toilette setzen, wir bis zum ersten Pinkelstrahl die Luft anhalten. Ist das nicht verrückt? Das liegt daran, dass so der Druck auf die Blase erhöht wird und sie schneller entleert wird.

Das passiert, wenn wir zu wenig trinken

Zunächst einmal wird unser Blut zäher, was dazu führt, dass es langsamer fließt. Ähnlich wie Brei im Kochtopf dickt es so langsam ein und wird weniger flexibel. Und Nährmittel und Sauerstoff werden langsamer in die Zellen geliefert und Abfallprodukte langsamer ausgeschieden. Wir werden träger, unkonzentrierter, müder und gereizter.

Dann spricht man von einer Reizblase

Es soll ja Menschen geben, die immer genug trinken. Zu der Sorte gehöre ich bedauerlicherweise nicht. Dementsprechend muss ich gefühlt oft auf die Toilette, wenn ich endlich mal meine 1,5 bis 2 Liter Wasser am Tag trinke. Sobald ich es aber mal schaffe, längerfristig ausreichend zu trinken, merke ich, dass ich einen gesunden 2-Stunden-Turnus habe und daran nichts ungewöhnlich ist. Aber wann spricht man denn von einer Reizblase? Wenn:

  • wir trotz normaler Flüssigkeitszufuhr so oft zur Toilette müssen, dass es den Tagesablauf oder die Nachtruhe stört
  • der Harndrang plötzlich kommt und superdringend ist
  • eventuell auch etwas Urin in die Hose geht, weil wir es nicht rechtzeitig aufs Klo schaffen

Die Gründe dafür werden noch immer erforscht.

Experten und Expertinnen auf dem Gebiet gehen aber davon aus, dass die Blasenwand verändert ist und ihre Sensoren, die den Druck der Blase messen, einfach zu sensibel sind. Dementsprechend geben sie den Impuls zur sofortigen Blasenentleerung viel zu früh. Warum? Das ist unklar.

 
 
 
 
 
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Erster Besuch bei der Urologin

Wer beim Lesen von Birgit Bullas Buch, oder schon vorher, das Gefühl hatte, dass mit der eigenen Blase etwas nicht stimmt, stellt sich früher oder später die Frage, eine Ärztin aufzusuchen. Über Blasenschwäche, Inkontinenz und Pipiunfälle oder eine mögliche Reizblase zu sprechen, fällt vielen mit Sicherheit nicht leicht. Deswegen gefielen mir die Tipps für den ersten Besuch bei einer Urologin besonders gut. Ein Besuch beim Urologen war bei mir immer eher mit dem männlichen Geschlecht assoziiert. Eine Assoziation, die sich mit Birgits Erfahrung bei einer Urologin deckt.

Ist man – also Frau – dann gezwungen, eine urologische Praxis aufzusuchen, weil sich eine Entzündung ankündigt oder es einfach buchstäblich nicht mehr so gut läuft, macht sich das Gefühl breit: It’s a man’s world. Von den Patient*innen im Wartezimmer sind 99 Prozent männlich.

Fragen der Urologin

  • Wann haben die Beschwerden angefangen?
  • Ist irgendetwas vorgefallen zu der Zeit?
  • Wie oft haben Sie unfreiwillig Harn verloren? Wie viel war das in etwa?
  • Tragen Sie Einlagen zum Schutz? Wenn ja, wie oft müssen diese gewechselt werden? Haben Sie Probleme mit Ihrem Stuhlgang?
  • Wie ist es so um ihr Sexualleben bestellt?

Darüber hinaus erklärt Birgit Bulla zahlreiche Fremdwörter im Zusammenhang mit der Untersuchung, die Untersuchungsmethoden und den typischen Ärztesprech zum gesamten Harntrakt und den damit einhergehende Problemen.

Lifehacks für die schwache Blase

Wie gehst du damit um, wenn doch mal was daneben gegangen ist? Hast du immer ein Hemd zum Umknoten dabei oder eine Wechselhose?

„Ich habe immer darauf geachtet, eine Jacke zu tragen, die über den Po geht, um nasse Stellen zu verdecken. Ja, ein Pulli zum um die Hüfte binden ist auch eine gute Idee. Wenn es mal ganz schlimm war, habe ich auch immer eine extra Binde oder Slipeinlage dabei gehabt. Gerade abends beim Weggehen, wenn man Alkohol trinkt und die Toilettenschlange mal wieder besonders lang ist. Andere Frauen packen Lippenstift, Puder und Kondome in ihre Tasche, ich Slipeinlagen und Binden.“

Dein heißer Tipp an alle “Leidensgenossinnen”, wie sie für sich den “Druck” aus der Sache nehmen können im Umgang mit ihrer schwachen oder gereizten Blase?

„Also mir hat es wahnsinnig geholfen, einfach offen und ehrlich darüber zu sprechen. Zwei gute Freundinnen von mir haben ein ganz ähnliches Problem mit der Blase, da wären wir aber nie drauf gekommen, wenn wir nicht so offen gewesen wären. Und da Humor für mich super wichtig ist und ich eigentlich über fast alles lachen kann, war auch das total wichtig. Also sich selber nicht so ernst nehmen und eine nasse Hose jetzt nicht als Ende der Welt betrachten.“

Tipps aus dem Buch, wenn die Blase unterwegs drückt

Prinzipiell ist es natürlich die beste Idee, auf die Toilette zu gehen, wenn man mal muss. Aber wenn mal keine in der Nähe ist oder man aus anderen Gründen durchhalten muss, gibt es dank Birgit ein paar Tipps zum Unterdrücken des Pinkeldrangs:

  • Hinsetzen: Im Sitzen ist der Harndrang nicht so groß wie im Stehen.
  • Druck auf die Klitoris alias „Schuhebinden“: Nun kann man sich im öffentlichen Raum nicht unbedingt die Hände auf die Genitalien halten. Ein Trick von Birgit: Hinhocken und die Ferse sanft gegen die Klitoris drücken. Damit wird der Pinkeldrang gemindert.
  • Richtig atmen: Eine ruhige Atmung ist der Schlüssel in zahlreichen Situationen.
  • Lenkt euch ab: Wir alle haben schon Situationen erlebt, in denen wir mental völlig im Tunnel waren, nur um irgendwann aufzuschrecken „Ah ich muss aufs Klo.“ Also lenkt euch ab.
  • Zu guter Letzt: Den Körper warm zu halten, denn wer friert spürt den Harndrang intensiver.

Birgit Bulla liest „Noch ganz dicht?

Mehr über das Buch „Noch ganz dicht?“ von Birgit Bulla findest du auf www.nochganzdicht-buch.de

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